Seite 120 - Das Wirken der Apostel (1976)

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Das Wirken der Apostel
Wiederum gebietet ihm die Stimme des himmlischen Boten:
„Gürte dich und tu deine Schuhe an!“
Apostelgeschichte 12,8a
. Und
wiederum gehorcht Petrus, während seine Augen unverwandt auf
seinen Besucher gerichtet sind und er überlegt, ob er träume oder
eine Vision erblicke. Nochmals befiehlt ihm der Engel: „Wirf deinen
Mantel um dich und folge mir nach!“
Apostelgeschichte 12,8b
. Der
Engel geht zur Tür, gefolgt von Petrus, der stumm vor Erstaunen
ist, während er doch sonst recht gesprächig sein kann. Sie schreiten
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über die Wachen hinüber und erreichen das fest verriegelte Tor, das
sich von selbst öffnet und unmittelbar hinter ihnen wieder schließt,
während die Wachen drinnen und draußen bewegungslos auf ihrem
Posten liegen.
Sie erreichen das zweite Tor, das ebenso von innen und außen
bewacht wird. Wie das erste öffnet es sich ohne ein Knarren der An-
geln und ohne ein Geräusch der eisernen Riegel. Sie gehen hindurch,
und auch diesmal schließt sich alles lautlos. So durchschreiten sie
auch das dritte Tor und befinden sich schließlich auf offener Straße.
Kein Wort wird gesprochen; kein Fußtritt ist zu hören. Der Engel
geht voran, umgeben von strahlendem Lichtglanz, und Petrus, ver-
wirrt und noch immer in der Vorstellung, er träume, folgt seinem
Befreier. So ziehen sie durch eine Straße. Plötzlich verschwindet der
Engel, denn sein Auftrag ist erfüllt.
Das himmlische Licht erlosch, und Petrus sah sich von tiefer
Dunkelheit umgeben. Aber als sich seine Augen daran gewöhnten,
schien sie sich aufzuhellen. Der Apostel fand sich allein in der stillen
Straße. Die kühle Nachtluft strich um seine Stirn. Nun wurde ihm
bewußt, daß er frei war und sich in einem ihm bekannten Stadtteil
befand. Er erkannte die Stätte wieder, an der er so oft geweilt hatte
und über die man ihn, wie er meinte, am folgenden Morgen zum
letztenmal führen würde.
Er versuchte, sich die Ereignisse der eben verflossenen Augen-
blicke ins Gedächtnis zurückzurufen. Dabei entsann er sich, wie
er zwischen den beiden Soldaten eingeschlafen war, nachdem er
Sandalen und Mantel abgelegt hatte. Als er sich nun betrachtete,
fand er sich vollständig angezogen und gegürtet. Seine Handgelen-
ke, geschwollen vom Tragen der grausamen Schellen, waren ledig
von ihren Fesseln. Seine Freiheit, das erkannte er, war keine Täu-
schung, kein Traum, kein Gesicht, sondern herrliche Wirklichkeit.