Seite 333 - Das Wirken der Apostel (1976)

Basic HTML-Version

Das Verhör zu Cäsarea
329
Der Apostel sprach mit Entschiedenheit und unverkennbarer Auf-
richtigkeit; seine Worte wirkten überzeugend. Klaudius Lysias hatte
in seinem Brief an Felix dem Apostel ein ähnliches Zeugnis über
dessen Verhalten ausgestellt. Überdies kannte Felix die jüdische
Religion besser, als viele vermuteten. Durch die schlichte Darlegung
der Tatsachen, wie sie Paulus gab, gewann Felix einen noch besseren
Einblick in die Beweggründe, von denen sich die Juden bei dem
Versuch leiten ließen, den Apostel des Aufruhrs und des Verrats
für schuldig zu erklären. Der Landpfleger konnte ihnen nicht die
Gefälligkeit erweisen, einen römischen Bürger ungerechterweise zu
verurteilen; genausowenig wollte er ihnen Paulus ausliefern, damit
sie ihn ohne rechtmäßiges Gerichtsverfahren umbrächten. Dennoch
kannte Felix keinen höheren Beweggrund als seinen persönlichen
Vorteil. Ihn beherrschte das Verlangen nach Anerkennung und Vor-
wärtskommen. Die Furcht, die Juden zu beleidigen, hinderte ihn
schließlich daran, einem Manne volle Gerechtigkeit widerfahren zu
lassen, von dessen Unschuld er überzeugt war. Deshalb beschloß
er, die Gerichtsverhandlung zu vertagen, bis Lysias anwesend sein
[418]
könne. „Wenn Lysias, der Oberhauptmann, herabkommt, so will ich
eure Sache entscheiden.“
Apostelgeschichte 24,22
.
Damit blieb der Apostel ein Gefangener. Felix befahl lediglich
dem Hauptmann, der für Paulus verantwortlich war, ihn „in leichtem
Gewahrsam“ zu behalten, und „daß er niemand von den Seinen
wehrte, ihm zu dienen.“
Apostelgeschichte 24,23
.
Nicht lange darauf ließen Felix und seine Frau Drusilla Paulus
kommen, um in einem vertraulichen Gespräch etwas „über den
Glauben an Christus Jesus“ (
Apostelgeschichte 24,24
) zu hören.
Sie waren willig, ja sogar begierig, diese neuen Lehren zu hören —
Wahrheiten, die sie möglicherweise nie wieder hören, und die am
Jüngsten Tag gegen sie zeugen würden, wenn sie sie verwarfen.
Paulus betrachtete dies als eine ihm von Gott gegebene Gelegen-
heit, die er auch treulich ausnutzte. Er wußte sehr wohl, daß er sich
in der Gegenwart dessen befand, der Macht hatte, ihn zum Tode zu
verurteilen oder ihm die Freiheit zu schenken. Dennoch richtete er
keine Lob- und Schmeichelworte an Felix und Drusilla. Er wußte,
daß seine Worte für sie ein Geruch zum Leben oder zum Tode sein
würden. Deshalb stellte er alle selbstsüchtigen Erwägungen beiseite
und suchte ihnen die Gefahr, in der sie standen, bewußt zu machen.