Seite 339 - Das Wirken der Apostel (1976)

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Paulus beruft sich auf den Kaiser
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und hieß Paulus holen. Als der aber vor ihn kam, traten um ihn her
die Juden, die von Jerusalem herabgekommen waren, und brachten
viele und schwere Klagen vor, welche sie nicht konnten bewei-
sen“.
Apostelgeschichte 25,6.7
. Diesmal hatten die Juden keinen
Rechtsanwalt, sondern trugen ihre Anklagen selber vor. Im Lau-
fe des Verhörs wies der Angeklagte mit Ruhe und Offenheit die
Unrichtigkeit ihrer Behauptungen nach.
Festus erkannte, daß es in dieser Auseinandersetzung allein um
jüdische Glaubenslehren ging und daß die Anklagen gegen Paulus,
selbst wenn sie bewiesen werden könnten, im Grunde genommen
nichts enthielten, was ihm die Todes- oder auch nur die Gefängnis-
strafe hätte einbringen können. Er sah jedoch auch deutlich, welch
ein Sturm der Entrüstung sich erheben würde, falls er Paulus nicht
verurteilte oder ihren Händen überantwortete. Da er nun „den Juden
eine Gunst erzeigen“ (
Apostelgeschichte 25,9
) wollte, wandte er
sich an Paulus und fragte ihn, ob er bereit sei, unter seinem Schutz
nach Jerusalem zu gehen, um sich dort vom Hohen Rat verhören zu
lassen.
Der Apostel wußte, daß er keine Gerechtigkeit von dem Volk
erwarten konnte, das durch seine Verbrechen Gottes Zorn auf sich
geladen hatte. Er wußte, daß er, wie einst der Prophet Elia, unter den
Nichtjuden sicherer sein würde als bei denen, die das göttliche Licht
vom Himmel verworfen und ihre Herzen gegen das Evangelium
verstockt hatten. Müde des ständigen Streites, konnte sein reger
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Geist das wiederholte Aufschieben und zermürbende Hinhalten der
gerichtlichen Untersuchung und der Haft nur mit Mühe ertragen.
Deshalb beschloß er, von dem Recht, das ihm als römischem Bürger
zustand, Gebrauch zu machen und sich auf den Kaiser zu berufen.
Paulus antwortete deshalb auf die Frage des Landpflegers: „Ich
stehe vor des Kaisers Gericht, da muß ich gerichtet werden! Den
Juden habe ich kein Unrecht getan, wie auch du aufs beste weißt.
Habe ich aber Unrecht getan und des Todes wert gehandelt, so wei-
gere ich mich nicht zu sterben; ist aber nichts an dem, dessen sie
mich verklagen, so darf mich auch niemand ihnen preisgeben. Ich
berufe mich auf den Kaiser!“
Apostelgeschichte 25,10.11
.
Festus hatte keine Ahnung, daß sich die Juden verschworen hat-
ten, Paulus zu ermorden, und war daher von der Berufung auf den
Kaiser überrascht. Der Antrag des Apostels beendete alle weiteren