Seite 362 - Das Wirken der Apostel (1976)

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Das Wirken der Apostel
durch Paulus seine Bekehrung bewirkt hatte. Alsdann bat er Phi-
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lemon feinfühlend und ernsthaft, er möge, so wie er durch seine
Freigebigkeit die Heiligen erquickt habe, nun auch das Herz des
Apostels erquicken und ihm diese Freude gewähren. „Ich habe“,
fügte er hinzu, „im Vertrauen auf deinen Gehorsam dir geschrieben;
und ich weiß, du wirst mehr tun, als ich sage.“
Philemon 21
.
Der Brief des Apostels an Philemon zeigt den Einfluß des Evan-
geliums auf das Verhältnis zwischen Herren und Knechten. Sklaverei
war im ganzen Römischen Reich eine anerkannte Einrichtung, und
zu den meisten Gemeinden, in denen Paulus wirkte, gehörten Her-
ren und auch Sklaven. In den Städten, wo es oft mehr Sklaven als
freie Bürger gab, waren äußerst harte Gesetze erlassen worden, um
die Sklaven unterwürfig zu halten. Einem wohlhabenden Römer
gehörten mitunter Hunderte von Sklaven aus den verschiedensten
Ständen, Völkern und Berufen. Da er volle Gewalt über Leib und Le-
ben dieser Hilflosen besaß, konnte er ihnen willkürlich irgendwelche
Strafen auferlegen. Wagte es nun einer von ihnen, aus Wiedervergel-
tung oder in Notwehr die Hand gegen seinen Besitzer zu erheben,
so konnte es geschehen, daß die ganze Familie des Missetäters un-
menschlich dafür büßen mußte. Schon geringe Versehen, Unfälle
oder Unachtsamkeiten wurden oft unbarmherzig bestraft.
Es gab aber auch Herren, die menschlicher empfanden und ihre
Sklaven freundlich behandelten; doch die meisten Wohlhabenden
und Reichen frönten uneingeschränkt ihren Leidenschaften und Be-
gierden und erniedrigten ihre Sklaven zu bedauernswerten Opfern
ihrer Launen und ihrer Tyrannei. Eine solche Gesellschaftsordnung
mußte zu hoffnungslosem Niedergang führen.
Es war nicht die Aufgabe des Apostels, eigenmächtig oder vor-
schnell die bestehende gesellschaftliche Ordnung zu stürzen. Ein
solcher Versuch hätte den Fortgang der Evangeliumsverkündigung in
Frage gestellt. Er lehrte aber Grundsätze, durch die die Sklaverei an
der Wurzel getroffen wurde; und wo man diese Lehren ernst nahm,
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mußte die ganze Gesellschaftsordnung erschüttert werden. „Wo ...
der Geist des Herrn ist; da ist Freiheit“ (
2.Korinther 3,17
), erklärte
er. Durch seine Bekehrung wurde der Sklave ein Glied am Leibe
Christi. Als solches mußte er wie ein Bruder geliebt und behandelt
werden. Wie sein Herr war er Miterbe der Segnungen Gottes und
der Gnadengaben des Evangeliums. Andererseits sollten die Sklaven