Seite 390 - Das Wirken der Apostel (1976)

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Das Wirken der Apostel
auf seinen Befehl, und die Flaggen seiner Flotten verkündeten Sieg.
Sein Standbild war in den Gerichtssälen aufgestellt; die Erlasse der
Senatoren und die Entscheidungen der Richter waren nichts weiter
als ein Echo seines Willens. Millionen beugten sich gehorsam seinen
Befehlen. Der Name Nero ließ die Welt erzittern. Sein Mißfallen
zu erregen, bedeutete meist den Verlust von Eigentum, Freiheit und
Leben, und sein tadelnder Blick war gefürchteter als die Pest.
Ohne Geld, Freunde und Ratgeber stand der Gefangene vor Ne-
ro — dem Kaiser, dessen Gesichtszüge ein beschämendes Zeugnis
ablegten von den Leidenschaften, die in ihm tobten. Das Antlitz des
Angeklagten dagegen kündete von einem Herzen voller Frieden mit
Gott. Paulus hatte Armut, Selbstverleugnung und Leiden erfahren.
Trotz der ständigen Verleumdungen, Schmähungen und Beschimp-
fungen, durch die ihn seine Feinde hatten abschrecken wollen, hatte
er das Banner des Kreuzes furchtlos hochgehalten. Gleich seinem
Herrn war er ein heimatloser Wanderer gewesen und hatte wie er
gelebt, um ein Segen für die Menschheit zu sein. Wie konnte Nero,
dieser launische, jähzornige und lasterhafte Tyrann, das Wesen und
die Beweggründe dieses Gottesmannes verstehen oder auch nur zu
würdigen wissen!
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Der weite Raum war von vielen neugierigen und unruhigen
Menschen angefüllt, die sich nach vorne schoben und drängten, um
alles zu sehen und zu hören, was dort vor sich ging. Da waren Hoch-
und Niedriggestellte, Reiche und Arme, Gebildete und Ungebildete,
Stolze und Bescheidene. Aber den Weg zum wahren Leben und zum
Heil kannten sie alle nicht.
Die Juden erhoben gegen Paulus die alten Beschuldigungen des
Aufruhrs und der Ketzerei. Gemeinsam mit den Römern bezich-
tigten sie ihn der Anstiftung des Brandes in der Stadt. Paulus aber
bewahrte eine unerschütterliche Ruhe, als man diese Anklagen ge-
gen ihn erhob. Verwundert schauten das Volk und die Richter auf ihn.
Sie hatten schon vielen Gerichtsverhandlungen beigewohnt, viele
Verbrecher beobachtet, aber noch nie einen Mann gesehen, der eine
solch heilige Ruhe ausstrahlte, wie dieser Gefangene vor ihnen. Die
scharfen Augen der Richter, die gewohnt waren, in den Gesichts-
zügen der Gefangenen zu lesen, suchten bei Paulus vergebens nach
irgendwelchen Anzeichen einer Schuld. Als ihm gestattet wurde, zu