Seite 392 - Das Wirken der Apostel (1976)

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Das Wirken der Apostel
die Zeiten zu überdauern, um selbst dann noch auf Menschenher-
zen einzuwirken, wenn der, dessen Mund sie gesprochen, längst als
Märtyrer gestorben war.
So wie bei dieser Gelegenheit hatte Nero noch nie die Wahrheit
vernommen. Niemals hatte die ungeheure Schuld seines Lebens
so offen vor ihm gelegen wie jetzt. Das Licht des Himmels drang
in sein sündiges Herz ein, und er erzitterte angsterfüllt bei dem
Gedanken an ein Gericht, vor das auch er, der Herrscher der Welt,
gefordert werden würde, um für seine Taten den gerechten Lohn
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zu empfangen. Er fürchtete den Gott des Apostels und wagte nicht,
Paulus zu verurteilen, da keine der gegen ihn erhobenen Anklagen
zu Recht bestand. Heilige Scheu hielt seinen blutdürstigen Geist
noch eine Zeitlang in Schranken.
Für einen Augenblick tat sich dem schuldbeladenen und ver-
härteten Nero der Himmel auf, und dessen Friede und Reinheit
erschienen ihm begehrenswert. In diesem Augenblick erging die
Einladung der göttlichen Gnade an ihn. Doch nur ganz flüchtig war
ihm der Gedanke an Vergebung willkommen. Dann befahl er, Paulus
ins Gefängnis zurückzuführen. Als sich die Tür zum Kerker hinter
dem Boten Gottes zutat, schloß sich auch für den römischen Kaiser
die Tür der Reue für immer. Kein Strahl des himmlischen Lichtes
durchdrang je wieder diese Finsternis. Bald sollten die strafenden
Gerichte Gottes über ihn hereinbrechen.
Nicht lange danach brach Nero zu dem unheilvollen Feldzug
nach Griechenland auf, wo er durch unwürdige und erniedrigende
Leichtfertigkeit Schande über sich und sein Reich brachte. Nachdem
er mit großem Gepränge nach Rom zurückgekehrt war, gab er sich
mit seinen Höflingen empörenden Ausschweifungen hin. Während
eines Gelages war plötzlich von der Straße her Getümmel zu hören.
Ein Bote, den man ausschickte, um zu erfahren, was geschehen sei,
kehrte mit der Schreckensnachricht zurück, daß Galba an der Spitze
eines Heeres in Eilmärschen gegen Rom vorrücke. Außerdem sei in
der Stadt ein Aufstand ausgebrochen. Eine aufgebrachte Volksmenge
fülle die Straßen; sie nähere sich bereits dem Palast und drohe den
Kaiser mitsamt seinem Gefolge umzubringen.
Nero konnte sich in dieser verhängnisvollen Lage nicht — wie
der treue Apostel Paulus — auf einen mächtigen und barmherzi-
gen Gott verlassen. Aus Furcht vor den Leiden und Qualen, die er