Seite 69 - Der gro

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Die Waldenser
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derten freundlich, daß sie alle Menschen zu lieben wünschten, daß
jedoch der Papst nicht zur Oberherrschaft in der Kirche berechtigt
sei und sie ihm nur jene Untertänigkeit erweisen könnten, die jedem
Nachfolger Christi gebühre. Wiederholte Versuche wurden unter-
nommen, um sich ihrer Untertanentreue gegen Rom zu versichern;
aber diese demütigen Christen, erstaunt über den von Roms Sendlin-
gen zur Schau getragenen Stolz erwiderten standhaft, daß sie keinen
andern Herrn als Christus kennten. Nun offenbarte sich der wahre
Geist des Papsttums. Der Vertreter Roms sagte: „Wenn ihr die Bru-
derhand, die euch den Frieden bringen will, nicht annehmen mögt,
so sollt ihr Feinde bekommen, die euch den Krieg bringen, wenn
ihr nicht mit uns den Sachsen den Weg des Lebens verkündigen
wollt, so sollt ihr von ihrer Hand den Todesstreich empfangen.
Das
waren keine leeren Drohungen. Krieg, Intrigen und Betrügereien
wurden gegen diese Zeugen eines biblischen Glaubens angewandt,
bis die Gemeinden Britanniens zugrunde gerichtet waren oder sich
gezwungen sahen, die Herrschaft des Papstes anzuerkennen.
In den Ländern außerhalb der Gerichtsbarkeit Roms bestanden
jahrhundertelang Gemeinschaften von Christen, die sich von der
päpstlichen Verderbnis beinahe freihielten. Sie waren vom Heiden-
tum umgeben und litten im Laufe der Jahre durch dessen Irrtümer;
aber sie betrachteten weiterhin die Bibel als alleinige Richtschnur
des Glaubens und hielten an manchen Wahrheiten fest. Sie glaubten
an die ewige Gültigkeit des Gesetzes Gottes und feierten den Sabbat
des vierten Gebotes. Derartige Gemeinden fanden sich in Afrika
und unter den Armeniern in Kleinasien.
Unter denen aber, die sich den Eingriffen der päpstlichen Macht
widersetzten, standen die Waldenser mit an erster Stelle. Gerade in
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dem Lande, in dem das Papsttum seinen Sitz aufgeschlagen hatte,
wurde seiner Falschheit und Verderbtheit der entschlossenste Wider-
stand geleistet. Jahrhundertelang erhielten sich die Gemeinden in
Piemont ihre Unabhängigkeit, aber schließlich kam die Zeit, da Rom
auf ihrer Unterwerfung bestand. Nach erfolglosen Kämpfen gegen
die römische Tyrannei erkannten die Leiter dieser Gemeinden wider-
strebend die Oberherrschaft der Macht an, der sich die ganze Welt zu
1
Beda, „Historia ecclesiastica gentis Anglorum“, II 2,4, Abschnitt, Oxford, 1896;
Neander, „Allg. Geschichte der christlichen Religion und Kirche“, 3. Per., 1.Abschnitt, 9,
Gotha, 1856.