Seite 101 - Das Leben Jesu (1973)

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Die Versuchung
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Seit der Ankündigung an die Schlange: „Ich will Feindschaft
setzen zwischen dir und dem Weibe und zwischen deinem Nach-
kommen und ihrem Nachkommen“ (
1.Mose 3,15
) wußte Satan, daß
er keine unumschränkte Gewalt über die Welt hatte. Im Menschen
war das Wirken einer Kraft spürbar, die seiner Herrschaft wider-
stand. Gespannt beobachtete er die von Adam und seinen Söhnen
dargebrachten Opfer. Er erkannte in diesen Handlungen eine sinn-
bildliche Verbindung zwischen Himmel und Erde und nahm sich vor,
diese Gemeinschaft zu stören. Er stellte Gott in ein falsches Licht
und mißdeutete die gottesdienstlichen Handlungen, die auf Christus
hinwiesen. Die Menschen wurden dahin gebracht, Gott als ein We-
sen zu fürchten, das an ihrem Verderben Gefallen habe. Die Opfer,
die Gottes Liebe hätten offenbaren sollen, wurden dargebracht, um
seinen Zorn zu besänftigen. Satan erregte die bösen Leidenschaf-
ten der Menschen, um seine Herrschaft über sie zu festigen. Als
das geschriebene Wort Gottes gegeben wurde, erforschte Satan die
Prophezeiungen vom Kommen des Heilandes. Von Geschlecht zu
Geschlecht bemühte er sich, die Menschen gegen diese Weissagun-
gen blind zu machen, damit sie den Messias bei seinem Kommen
verwürfen.
Mit der Geburt Jesu wußte Satan, daß der Eine gekommen war
mit dem göttlichen Auftrag, ihm seinen Herrschaftsanspruch streitig
zu machen. Er zitterte bei der Botschaft des Engels, der die Autorität
des neugeborenen Königs bezeugte. Ihm war wohl bekannt, welche
bevorzugte Stellung Jesus als der Geliebte des Vaters im Himmel
innegehabt hatte. Daß dieser Sohn Gottes als Mensch auf die Erde
kommen sollte, erfüllte ihn mit Bestürzung und Furcht. Er konnte das
Geheimnis dieses großen Opfers nicht fassen. Seine selbstsüchtige
Seele konnte eine solche Liebe zu dem irregeleiteten Geschlecht
nicht verstehen. Die Menschen selbst begriffen die Herrlichkeit und
den Frieden des Himmels und die Freude der Gemeinschaft mit
Gott nur unklar; Luzifer, dem schirmenden Cherub, waren diese
Segnungen gut bekannt. Seitdem er den Himmel verloren hatte, war
er zur Rache entschlossen. Er veranlaßte andere, seinen Sturz mit
ihm zu teilen. Und dies gelang ihm am besten dadurch, daß er die
Menschen beeinflußte, die himmlischen Dinge zu unterschätzen und
ihre Herzen an irdische Dinge zu hängen.
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