Seite 169 - Das Leben Jesu (1973)

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„Er muß wachsen ...“
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Die gleichen Gefahren bestehen noch heute. Gott ruft jemand
in eine bestimmte Arbeit. Hat dieser sie dann seiner Befähigung
entsprechen vorangetrieben, ersetzt der Herr ihn durch andere, um
durch sie das Werk noch weiter auszudehnen. Aber wie bei den Jün-
gern des Johannes meinen viele, daß der Erfolg vom ersten Arbeiter
abhängt. Die Aufmerksamkeit beschränkt sich auf das Menschliche
statt auf das Göttliche, Eifersucht wird geweckt, und Gottes Werk
nimmt Schaden. Derjenige, der so zu unverdienter Ehre gelangt,
steht in der Versuchung, allzuviel Selbstvertrauen zu entwickeln. Er
vergegenwärtigt sich nicht seine Abhängigkeit von Gott. Die Men-
schen werden unterwiesen, sich auf ihresgleichen zu verlassen. Auf
diese Weise verfallen sie dem Irrtum und geraten in Gottesferne.
Damit Gottes Werk auf keinen Fall weder Bild noch Aufschrift
des Menschen trägt, läßt der Herr von Zeit zu Zeit verschiedene
Unternehmen wirksam werden, durch die sich seine Absichten am
besten erfüllen. Selig sind jene, die gewillt sind, Demütigungen
hinzunehmen und mit Johannes dem Täufer sprechen: „Er muß
wachsen, ich aber muß abnehmen.“
Johannes 3,30
.
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