Seite 251 - Das Leben Jesu (1973)

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„So du willst, kannst du mich wohl reinigen ...“
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In der Gegend, in welcher Jesus lebte und wirkte, gab es viele
solcher Leidenden. Als die Kunde von Jesu Wirken diese Aussätzi-
gen erreichte, erwachte in ihnen ein Hoffnungsschimmer. Seit den
Tagen des Propheten Elisa war es nicht vorgekommen, daß ein Aus-
sätziger geheilt worden war. Sie wagten darum nicht, ihrer Hoffnung
nachzugehen und von Jesus etwas zu erwarten, was noch niemand je
zuvor von ihm erfahren hatte. In dem Herzen eines dieser Aussätzi-
gen war jedoch der Glaube erwacht; nur wußte er nicht, wie er Jesus
erreichen konnte. Wie sollte es für ihn, der von der Verbindung mit
seinen Mitmenschen ausgeschlossen war, möglich sein, zum Heiland
zu kommen? Und wenn er es versuchte, würde Jesus ihn heilen?
Würde er sich herablassen, einen Menschen zu beachten, der unter
dem Gericht Gottes stand? Würde er nicht gleich den Pharisäern und
Ärzten einen Fluch über ihn aussprechen und ihm befehlen, die Nähe
der Menschen zu fliehen? Er dachte an alles, was er von Jesus gehört
hatte. Nicht einer, der seine Hilfe erbeten hatte, war abgewiesen
worden. Da entschloß sich der Unglückliche, Jesus zu suchen. War
ihm auch der Zutritt zur Stadt verwehrt, so war es vielleicht doch
möglich, daß er dem Herrn auf einer abgelegenen Gebirgsstraße
begegnete, oder er fände ihn, wenn er außerhalb der Stadt lehrte.
Diese Hoffnung ließ ihn über alle Schwierigkeiten hinwegsehen.
Der Aussätzige wird in die Nähe des Herrn geführt. Jesus lehrt
am See, und das Volk hat sich um ihn versammelt. Aus einiger
Entfernung hört der Aussätzige dem Worte Jesu zu. Er sieht, daß
dieser seine Hände den Kranken auflegt; sieht, daß Lahme, Blinde,
Gichtbrüchige und andere Kranke sich nach der Berührung gesund
erheben und Gott für ihre Erlösung preisen. Der Glaube wächst im
Herzen des Aussätzigen; er nähert sich der Menge immer mehr; er
vergißt die ihm auferlegten Beschränkungen, die Gefährdung der
Gesunden, übersieht die Furcht und das Entsetzen, womit ihn alle
ansehen, und ist nur erfüllt von der seligen Hoffnung, geheilt zu
werden.
Er selbst bietet einen ekelerregenden Anblick. Die Krankheit hat
seinen Leib völlig entstellt; sein verwesender Körper ist schrecklich
anzusehen. Entsetzt weichen die Menschen vor ihm zurück. Sie
bedrängen sich gegenseitig in ihrer Ungeduld, seine Nähe zu fliehen.
Einige versuchen ihn davon abzuhalten, zu Jesus zu gelangen, aber
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vergebens. Er sieht und hört sie nicht; ihre Schreckensrufe finden