Seite 398 - Das Leben Jesu (1973)

Basic HTML-Version

394
Das Leben Jesu
erfüllte er seine Aufgabe. Diese Frau gehörte zu den „verlorenen
Schafen“, die die Israeliten retten sollten; denn diese Aufgabe war
ihnen aufgetragen worden. Sie aber hatten ihre Bestimmung ver-
nachlässigt, so daß Christus nun dieser Aufgabe nachkam.
Die Jünger erkannten durch diese Tat deutlicher als je die vor
ihnen liegende Aufgabe an den Heiden. Ein weites Arbeitsfeld außer-
halb Judäas erwartete sie. Sie sahen Menschen mit Sorgen beladen,
die den Begünstigteren unter ihnen unbekannt blieben. Und doch
fanden sich unter denen, die zu verachten man sie gelehrt hatte,
Menschen, die nach der Hilfe des Heilandes verlangten, die nach der
Wahrheit hungerten, welche den Juden so reichlich gegeben worden
war.
Später wandten sich die Juden immer nachdrücklicher von den
Jüngern ab, weil diese erklärten, Jesus sei der Retter der Welt. Au-
ßerdem war die trennende Wand zwischen Juden und Heiden durch
den Tod Christi niedergebrochen. Diese und andere ähnliche Lehren
wiesen auf das nicht durch Sitte und Volkstum eingeschränkte Werk
des Evangeliums hin; sie übten einen machtvollen Einfluß auf die
Nachfolger Christi aus und zeigten ihnen den Weg zu ihrer Aufgabe.
Des Heilandes Besuch bei den Phöniziern und das Wunder, das
er dort wirkte, verfolgte einen noch weiterreichenden Zweck. Nicht
allein für die betrübte Frau, sondern auch für seine Jünger und für
alle, zu deren Wohl sie arbeiteten, hatte er die Tat vollbracht, auf
„daß ihr glaubet, Jesus sei der Christus, der Sohn Gottes, und daß ihr
durch den Glauben das Leben habet in seinem Namen“.
Johannes
20,31
. Dieselben Mächte, die vor achtzehnhundert Jahren Menschen
von Christus fernhielten, wirken auch heute noch. Der Geist, der
die trennende Wand zwischen Juden und Heiden aufrichtete, ist
noch immer am Werk. Stolz und Vorurteile haben starke Mauern
zwischen den Menschen aufgerichtet. Christus und seine Sendung
sind falsch dargestellt worden. Viele empfinden, daß sie im Grunde
genommen vom Dienst des Evangelium ausgeschlossen sind. Laß in
ihnen aber nicht das Gefühl aufkommen, von Christus getrennt zu
[398]
sein. Menschen oder Satan vermögen keine Schranken aufzurichten,
die der Glaube nicht durchdringen kann.
Die kanaanäische Frau hatte in gläubigem Vertrauen die Schran-
ken durchbrochen, die zwischen Juden und Heiden aufgerichtet
waren. Sie ließ sich nicht entmutigen, und ungeachtet der Gescheh-