Seite 482 - Das Leben Jesu (1973)

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Das Leben Jesu
erinnerten sich seiner Worte, mit denen er ihnen gesagt hatte, was
ihn in Jerusalem erwarte. Sie wußten von der tödlichen Feindschaft
der jüdischen Obersten, und sie hätten ihm gern abgeraten, nach der
Heiligen Stadt zu ziehen.
Um seiner geliebten Jünger willen wurde es dem Heiland nicht
leicht, den ihm vorgezeichneten Weg weiter zu verfolgen; er kannte
ja ihre Furcht und ihren schwachen Glauben und wußte von den
kommenden großen Enttäuschungen. Es wurde ihm schwer, sie der
Angst und Verzweiflung entgegenzuführen, die ihrer in Jerusalem
warteten. Dazu bedrängte Satan wieder mit seinen Versuchungen des
Menschen Sohn. Warum sollte er nach Jerusalem in den sicheren Tod
gehen, wenn überall Seelen nach dem Brot des Lebens hungerten und
so viele Leidende auf sein Wort der Heilung warteten? Sein Wirken
durch den Geist der göttlichen Gnade hatte gerade erst begonnen;
er selbst stand im besten Mannesalter — warum sollte er nicht in
das weite Missionsfeld gehen und selbst seine Gnadenbotschaft
verkündigen und seine heilende Kraft mitteilen? Warum sollte er
nicht selbst die Freude miterleben, den in Finsternis und Kümmernis
verharrenden Millionen Menschen Licht und Leben zu bringen?
Warum sollte er das Einbringen der Ernte seinen Jüngern überlassen,
die so schwach im Glauben, so träge im verstehen und so langsam
im Handeln waren? Warum sich nun in den sicheren Tod begeben
und das Werk, das noch im Anfangsstadium war, verlassen? Der
Feind, der sich dem Herrn schon in der Wüste entgegengestellt hatte,
überfiel ihn jetzt mit ungestümen und listigen Versuchungen. Würde
Jesus auch nur einen Augenblick nachgegeben haben, wäre er von
seinem Weg nur „um Haaresbreite“ abgewichen, um sich selbst zu
retten, dann hätten Satans Werkzeuge triumphiert, die Welt aber
wäre verloren gewesen.
Doch der Heiland „wendete ... sein Angesicht, stracks nach Jeru-
salem zu wandern“.
Lukas 9,51
. Der Wille seines Vaters im Himmel
war das Gesetz seines Lebens. Er hatte einst als Knabe bei einem
Besuch des Tempels zu Maria gesagt: „Wisset ihr nicht, daß ich sein
muß in dem, das meines Vaters ist?“
Lukas 2,49
. Als Maria auf der
Hochzeit zu Kana Jesu Wunder wirkende Kraft offenbart sehen woll-
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te, lautete seine Antwort: „Meine Stunde ist noch nicht gekommen.“
Johannes 2,4
. Mit ähnlichen Worten hatte er schon seinen Brüdern
geantwortet, als sie ihn zum Besuch des Laubhüttenfestes nötigen