Seite 550 - Das Leben Jesu (1973)

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Das Leben Jesu
den Toten auferweckt worden. Kraftvoll und mit aller Bestimmtheit
erklärte er, daß Jesus der Sohn Gottes sei.
Die Berichte, die von den Besuchern Bethaniens nach Jerusalem
gelangten, erhöhten noch die Aufregung. Jeder wollte Jesus sehen
und hören. Man fragte sich allgemein, ob Lazarus mit dem Herrn
nach Jerusalem ginge und ob der Prophet am Passahfest zum König
gekrönt werden würde. Die Priester und Obersten erkannten, daß
ihr Einfluß auf das Volk immer mehr nachließ, und ihr Zorn gegen
Jesus wuchs ständig. Kaum konnten sie die Gelegenheit erwarten,
ihn für immer aus dem Weg zu räumen, und als die Zeit verstrich,
befürchteten sie schon, daß er nach allem Geschehenen nicht nach
Jerusalem kommen würde. Sie dachten daran, wie oft Jesus schon
ihre mörderischen Absichten vereitelt hatte, und sie waren besorgt,
daß er auch jetzt ihre gegen ihn gerichteten Absichten erkannt hatte
und wegbliebe. Sie konnten nur schlecht ihre Ängstlichkeit verber-
gen und fragten einander: „Was dünkt euch? Wird er wohl kommen
auf das Fest?“
Johannes 11,56
.
Eine Versammlung der Priester und Pharisäer wurde einberu-
fen. Seit der Auferweckung des Lazarus waren die Sympathien des
Volkes so völlig auf der Seite Jesu, daß es gefährlich schien, ihn
offen zu ergreifen. Sie beschlossen darum, ihn heimlich zu ergreifen
und die Untersuchung so unbemerkt wie nur möglich zu führen. Sie
hofften, daß sich die wankelmütige Gunst des Volkes ihnen wieder
zukehrte, wenn erst seine Verurteilung bekannt würde.
Auf diese Weise sollte Jesus vernichtet werden. Doch die Priester
und Gelehrten wußten auch, daß sie sich nicht sicher fühlen konnten,
solange Lazarus lebte. Die bloße Existenz eines Mannes, der vier
Tage im Grabe gelegen hatte und durch ein Wort Jesu wieder zum
Leben auferweckt worden war, konnte früher oder später eine Ge-
genwirkung hervorrufen, und das Volk würde dann an ihren Führern
den Tod des Einen rächen, der solch ein Wunder hatte vollbringen
können. Darum beschloß der Hohe Rat auch den Tod des Lazarus.
So weit führten der Neid und das Vorurteil ihre Sklaven. Der Haß
und der Unglaube bei den jüdischen Führern nahm so zu, daß sie
sogar einem Menschen das Leben nehmen wollten, den göttliche
Macht aus dem Grabe befreit hatte.
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Während diese Verschwörung in Jerusalem ablief, wurden Jesus
und seine Freunde auf das Fest des Simon von Bethanien geladen.