Seite 617 - Das Leben Jesu (1973)

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Im Vorhof des Tempels
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vom Osten und vom Westen und mit Abraham und Isaak und Jakob
im Himmelreich sitzen.“
Matthäus 8,11
.
Die Griechen hatten von Jesu triumphalen Einzug in Jerusalem
gehört. Manche nahmen an — und sie hatten dieses Gerücht auch
verbreitet —, daß Jesus die Priester und Obersten aus dem Tempel
gejagt und von dem Thron Davids Besitz ergriffen hätte und nun
als König über Israel herrsche. Die Griechen wollten sich jetzt über
diesen Jesus und seine Mission Gewißheit verschaffen. „Wir wollten
Jesus gerne sehen“, sagten sie. Ihr Wunsch wurde erfüllt. Als Jesus
von dem Verlangen der Griechen erfuhr, befand er sich gerade in
jenem Teil des Tempels, in dem sich nur Juden aufhalten durften,
doch er ging hinaus in den Vorhof und sprach dort mit ihnen.
Die Stunde der Verherrlichung Christi war gekommen. Er stand
bereits im Schatten des Kreuzes, und das Verlangen der Griechen
bestätigte ihm, daß durch das Opfer seines Lebens viele Seelen für
Gott gewonnen würden. Er wußte auch, daß die Griechen ihn bald
in einer Lage sehen würden, wie sie es niemals vermutet hätten;
sie würden ihn bald neben Barabbas, einem Räuber und Mörder,
erblicken, den man sogar ihm noch vorzöge. Sie würden auch hören,
wie das von den Priestern und Obersten beeinflußte Volk seine Wahl
träfe und auf die Frage des Pilatus: „Was soll ich denn machen mit
Jesus?“ antwortete: „Laß ihn kreuzigen!“
Matthäus 27,22
. Der Herr
wußte aber auch, daß durch dieses Sühneopfer für die Sünden der
Welt sein Reich vollendet und über alle Völker ausgedehnt, daß er
als Welterneuerer wirken und sein Geist endlich siegen würde. Für
einen Augenblick schaute er in die Zukunft und hörte Stimmen in
allen Teilen der Erde ausrufen: „Siehe, das ist Gottes Lamm, welches
der Welt Sünde trägt!“
Johannes 1,29
. Er sah in diesen Fremdlingen
das Unterpfand einer großen Ernte, wenn die Scheidewand zwischen
Juden und Heiden niedergerissen würde und alle Geschlechter, Spra-
chen und Zungen die Botschaft vom Reich hörten. Diese Erwartung,
dieses Ziel seiner Hoffnungen fand seinen Ausdruck in den Wor-
ten: „Die Zeit ist gekommen, daß des Menschen Sohn verherrlicht
werde.“
Johannes 12,23
. Die Art und Weise dieser Verherrlichung
war ihm durchaus bewußt. Das Einsammeln der Heiden würde nach
seinem Tode beginnen; nur durch sein Opfer am Kreuz konnte die
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Welt erlöst werden. Gleich dem Weizenkorn mußte des Menschen