Seite 96 - Das Leben Jesu (1973)

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Das Leben Jesu
gegeben werden sollte, wodurch es ihm möglich würde, ihn dem
Volke vorzustellen.
Als Jesus zur Taufe kam, erkannte Johannes in ihm eine Reinheit
des Charakters, wie er sie bisher noch bei keinem Menschen wahr-
genommen hatte. Etwas Heiliges umgab ihn und flößte Ehrfurcht
ein. Viele, die zu Johannes an den Jordan gekommen waren, hatten
schwere Schuld auf sich geladen und erschienen niedergebeugt von
der Last ihrer zahllosen Sünden. Es war aber noch keiner bei ihm
gewesen, von dem solch göttlicher Einfluß ausging wie von Jesus.
Dies stimmte damit überein, was ihm über den Messias geweissagt
worden war. Und dennoch zögerte er, die Bitte Jesu zu erfüllen. Wie
konnte er als sündiger Mensch den Sündlosen taufen! Und warum
sollte dieser, der keiner Buße bedurfte, sich einer Handlung unter-
ziehen, die als Sinnbild dafür galt, daß eine Schuld abzuwaschen
war?
Als Jesus um die Taufe bat, wehrte ihm Johannes, indem er
ausrief: „Ich bedarf wohl, daß ich von dir getauft werde, und du
kommst zu mir?“ Jesus antwortete: „Laß es jetzt also geschehen,
denn so gebührt es uns, alle Gerechtigkeit zu erfüllen.“ Da gab
Johannes nach, führte Jesus hinein in den Jordan und tauchte ihn
unter. Als Jesus heraufstieg „aus dem Wasser ... siehe, da tat sich der
Himmel auf, und er sah den Geist Gottes wie eine Taube herabfahren
und über sich kommen“.
Matthäus 3,14-16
.
Jesus empfing die Taufe nicht im Sinne eines Schuldbekennt-
nisses. Er stellte sich aber den Sündern gleich und tat alles, was
auch wir tun müssen. Sein Leben des Leidens und des geduldigen
Ausharrens nach seiner Taufe ist ein Beispiel für uns.
Nach seiner Taufe beugte sich der Heiland am Ufer im Gebet
vor Gott, dem Vater. Ein neuer und wichtiger Lebensabschnitt öff-
nete sich vor ihm. Er ging jetzt, auf einer höheren Ebene, seinem
Lebenskampf entgegen. Wohl war er der Fürst des Friedens, doch
sein Kommen war eher eine Kampfansage. Das Reich nämlich,
das er aufrichten wollte, war das Gegenteil von dem, was sich die
Juden wünschten. Er, der die Grundlage aller gottesdienstlichen
Handlungen Israels war, würde als deren Feind und Zerstörer ange-
sehen werden. Er, der auf Sinai das Gesetz verkündigt hatte, würde
als Gesetzesübertreter verdammt werden. Er, der gekommen war,
die Macht Satans zu brechen, würde als Beelzebub angeklagt wer-