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Der große Kampf
Um die Übelstände, die Europa zerrütteten, zu beseitigen, wur-
de ein allgemeines Konzil nach Konstanz einberufen. Das Konzil
kam durch die beharrlichen Bemühungen Sigismunds zustande, der
einen der drei Gegenpäpste, Johann XXIII., dazu veranlaßte. Diese
Aufforderung war zwar dem Papst Johann unwillkommen, denn sein
Charakter und seine Absichten konnten eine Untersuchung schlecht
vertragen, nicht einmal von solchen Prälaten, die in ihren Sitten eben-
so locker waren, wie die Geistlichkeit jener Zeit im allgemeinen. Er
wagte es jedoch nicht, sich dem Willen Sigismunds zu widersetzen.
(Siehe Anm. 025)
Das Hauptanliegen dieses Konzils war die Beseitigung der Kir-
chenspaltung und die Ausrottung der Ketzerei. Es wurden deshalb
die beiden Gegenpäpste sowie der Hauptvertreter der neuen Ansich-
ten, Jan Hus, aufgefordert, vor ihm zu erscheinen. Jene erschienen
aus Rücksicht auf ihre eigene Sicherheit nicht persönlich, sondern
ließen sich durch ihre Gesandten vertreten. Papst Johann, dem An-
schein nach der Einberufer des Konzils, erschien selbst nur unter
vielen Besorgnissen, denn er vermutete, der Kaiser habe die heimli-
che Absicht, ihn abzusetzen, und er fürchtete, für die Laster, die die
päpstliche Krone entwürdigt, und die Verbrechen, die ihn auf den
Thron gehoben hatten, zur Rechenschaft gezogen zu werden. Doch
hielt er seinen Einzug in Konstanz mit großem Gepränge, umgeben
von Geistlichen höchsten Ranges und gefolgt von einem Zug von
Höflingen. Der ganze Klerus und die Würdenträger der Stadt mit
einer riesigen Menschenmenge kamen heraus, um ihn willkommen
zu heißen. Über seinem Haupt schwebte ein goldener Baldachin,
getragen von vier höchsten Beamten; vor ihm her trug man die Ho-
stie. Die reichen Gewänder der Kardinäle und des Adels ergaben ein
eindrucksvolles Bild.
Unterdessen näherte sich ein anderer Reisender Konstanz. Hus
war sich der Gefahren, die ihm drohten, bewußt. Er schied von seinen
Freunden, als käme er nie wieder mit ihnen zusammen, und machte
sich mit dem Gefühl auf den Weg, daß dieser ihn zum Scheiterhaufen
führen werde. Obgleich er ein Sicherheitsgeleit vom König von Böh-
men erhalten hatte und ihm auf der Reise noch ein Geleitbrief von
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Kaiser Sigismund zugestellt wurde, traf er doch alle Vorbereitungen
im Hinblick auf seinen wahrscheinlichen Tod.