Seite 109 - Der gro

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Hus und Hieronymus
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In einem an seine Freunde in Prag gerichteten Brief schrieb
er: „Ich hoffe auf Gott, meinen allmächtigen Heiland, daß er seiner
Verheißung wegen und wegen eures heißen Gebets mir Weisheit
verleihen wird und eine geschickte Zunge, so daß ich ihnen zu wi-
derstehen vermögen werde. Er wird mir auch verleihen ein Gemüt,
zu verachten die Versuchungen, den Kerker, den Tod; wie wir se-
hen, daß Christus selbst gelitten hat um seiner Auserwählten willen,
indem er uns ein Beispiel gab, für ihn und unser Heil alles zu erdul-
den. Gewiß kann nicht umkommen, wer an ihn glaubt und in seiner
Wahrheit verharrt ... Wenn mein Tod seinen Ruhm verherrlichen
kann, so möge er ihn beschleunigen und mir die Gnade geben, alles
Übel, welches es auch sei, guten Muts ertragen zu können. Wenn es
aber für mein Heil besser ist, daß ich zu euch zurückkehre, so wollen
wir Gott darum bitten, daß ich ohne Unrecht vom Konzil wieder
zu euch komme; das heißt ohne Beeinträchtigung seiner Wahrheit,
so daß wir dieselbe nachher reiner erkennen können, die Lehre des
Antichrist vertilgen und unseren Brüdern ein gutes Beispiel zurück-
lassen ... Vielleicht werdet ihr mich in Prag nicht wiedersehen; wenn
aber Gott nach seiner Gnade mich euch wiederschenken will, so
werden wir mit desto freudigerem Gemüt in dem Gesetz des Herrn
fortschreiten.
In einem andern Brief an einen Priester, der ein Jünger des Evan-
geliums geworden war, sprach Hus mit tiefer Demut von seinen
Fehlern und klagte sich an, mit Genugtuung reiche Gewänder getra-
gen und Stunden mit wertlosen Dingen vergeudet zu haben. Er fügte
folgende rührende Ermahnung hinzu: „Möge die Herrlichkeit Gottes
und das Heil von Seelen dein Gemüt in Anspruch nehmen und nicht
der Besitz von Pfründen und Vermögen. Hüte dich, dein Haus mehr
zu schmücken als deine Seele, und verwende deine größte Sorgfalt
auf das geistliche Gebäude. Sei liebevoll und demütig den Armen
gegenüber und verschwende deine Habe nicht durch Festgelage.
Solltest du dein Leben nicht bessern und dich des Überflüssigen
enthalten, so fürchte ich, wirst du hart gezüchtigt werden, wie ich
selbst es bin ... Du kennst meine Lehre, denn du hast meine Unter-
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weisungen von deiner Kindheit an empfangen, deshalb ist es unnütz
für mich, dir weiter zu schreiben. Aber ich beschwöre dich bei der
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Neander, „Kirchengeschichte“, 6.Per., 2.Abschnitt, 2.Teil, §49