Seite 110 - Der gro

Basic HTML-Version

106
Der große Kampf
Gnade unseres Herrn, mich nicht in irgendeiner der Eitelkeiten nach-
zuahmen, in welche du mich fallen sahest.“ Auf dem Umschlag des
Briefes fügte er bei: „Ich beschwöre dich, mein Freund, diese Siegel
nicht zu erbrechen, bis du die Gewißheit erlangt hast, daß ich tot
bin.
Auf seiner Reise sah Hus überall Anzeichen der Verbreitung
seiner Lehren und der Zuneigung, die für seine Sache empfunden
wurde. Das Volk scharte sich zusammen, um ihn zu begrüßen, und
in einigen Städten begleitete ihn der Magistrat durch die Straßen.
Nach seiner Ankunft in Konstanz konnte sich Hus zuerst völlig
frei bewegen. Dem Sicherheitsgeleit des Kaisers fügte man noch
eine Versicherung des päpstlichen Schutzes hinzu. Trotz dieser fei-
erlichen und wiederholten Erklärungen wurde der Reformator bald
danach mit Zustimmung des Papstes und der Kardinäle verhaftet
und in einem ekelerregenden Verlies festgehalten. Später brachte
man ihn nach der starken Burg Gottlieben jenseits des Rheins und
hielt ihn dort gefangen. Dem Papst aber nützte seine Treulosigkeit
nichts, denn er war bald danach auf derselben Burg eingekerkert
Er wurde von dem Konzil der gemeinsten Verbrechen schuldig ge-
sprochen — Mord, Simonie, Unkeuschheit und „anderer Sünden,
die nicht passend sind, genannt zu werden“, wie das Konzil selbst
erklärte. Die Krone wurde ihm genommen und er ins Gefängnis
geworfen
Die Gegenpäpste setzte man ebenfalls ab; dann wählten
die Versammelten einen neuen Papst.
Obwohl der Papst selbst größerer Verbrechen überführt worden
war, als Hus je den Priestern zur Last gelegt und abzustellen verlangt
hatte, schritt doch dasselbe Konzil, das den Papst abgesetzt hatte,
zur Vernichtung des Reformators. Hus‘ Gefangennahme rief große
Entrüstung in Böhmen hervor. Mächtige Adlige protestierten gegen
diese Schmach
Der Kaiser, der die Verletzung eines Sicherheits-
geleites ungern zugab, widersetzte sich dem Vorgehen gegen ihn
Aber die Feinde des Reformators waren gehässig und entschlossen,
[106]
ihren Vorsatz auszuführen. Sie nutzten des Kaisers Vorurteile, seine
1
Bonnechose, „Les réformateurs avant la réforme du XVI. siécle“, 1.Buch 163,164
1
Bonnechose, „Les réformateurs avant la réforme du XVI. siécle“, 1.Buch 269
1
Hefele, „Konziliengeschichte“, Bd. VII, 139-141
1
v. Höfler, „Die Geschichtsschreiber der hussitischen Bewegung“ 179f
.
1
Palacky, „Geschichte Böhmens“, Bd. VI, 327f
.