Seite 111 - Der gro

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Hus und Hieronymus
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Furchtsamkeit und seinen Eifer für die Kirche aus. Sie brachten
weitschweifige Beweise vor, um darzutun, daß es vollkommen frei-
stehe, „Ketzern und Leuten, die unter dem Verdacht der Ketzerei
stünden, Wort zu halten, selbst wenn sie auch mit Sicherheitsgeleit
von Kaiser und Königen versehen seien
Auf diese Weise setzten
sie ihren Willen durch.
Durch Krankheit und Gefangenschaft geschwächt — die feuchte,
verdorbene Luft seines Kerkers verursachte Fieber, das sein Leben
ernstlich bedrohte — wurde Hus endlich vor das Konzil geführt. Mit
Ketten beladen stand er vor dem Kaiser, der seine Ehre und sein Wort
verpfändet hatte, ihn zu beschützen. (Siehe Anm. 026) Während
seines langen Verhörs vertrat er standhaft die Wahrheit und schilderte
vor den versammelten Würdenträgern der Kirche und des Reiches
ernst und gewissenhaft die Verderbtheit der Priesterherrschaft. Als
man ihm die Wahl ließ, seine Lehren zu widerrufen oder zu sterben,
zog er das Schicksal des Märtyrers vor.
Gottes Gnade hielt ihn aufrecht. Während der Leidenswochen,
die seiner endgültigen Verurteilung vorausgingen, erfüllte der Friede
des Himmels seine Seele. In einem Abschiedsbrief an einen Freund
schrieb er: „Ich schrieb diesen Brief im Kerker und in Ketten, mein
Todesurteil morgen erwartend ... Was der gnädige Gott an mir be-
wirkt und wie er mir beisteht in wunderlichen Versuchungen, werdet
ihr erst dann einsehen, wenn wir uns bei unserem Herrn Gott durch
dessen Gnade in Freuden wiederfinden.
In der Dunkelheit seines Kerkers sah er den Sieg des wahren
Glaubens voraus. In seinen Träumen wurde er in die Bethlehemska-
pelle zu Prag zurückversetzt, wo er das Evangelium gepredigt hatte,
und er sah, wie der Papst und seine Bischöfe die Bilder Jesu Christi,
die er an die Wände der Kirche hatte malen lassen, auslöschten. Dies
Traumbild betrübte ihn, aber „am andern Tage stand er auf und sah
viele Maler, welche noch mehr Bilder und schönere entworfen hat-
ten, die er mit Freuden anblickte. Und die Maler sprachen, umgeben
von vielem Volk: ‚Mögen die Bischöfe und Priester kommen und
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diese Bilder zerstören¡“ Der Reformator setzte hinzu: „So hoffe ich
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(Lenfant, „Histoire du concile de Constance“, Bd. I, 516; Ranke, „Weltgeschichte“,
Bd. XIII, 131,132; Oncken, „Allgemeine Geschichte“, dort; Prutz, „Staatengeschichte
des Abendlandes im Mittelalter“, Bd. II, 377,378
1
Neander, „Kirchengeschichte“, 6.Per. 2.Abschnitt, 2.Teil, §73