Seite 129 - Der gro

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Luthers Trennung von Rom
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Luthers Gemüt. Nach manchem Kampf mit langgehegten Irrtümern
erfaßte er die Wahrheit, und Friede zog in seine gequälte Seele ein.
Luther wurde zum Priester geweiht und aus dem Kloster als
Professor an die Universität Wittenberg berufen. Hier widmete er
sich dem Studium der Heiligen Schrift in den Grundtexten, begann
darüber Vorlesungen zu halten und erschloß das Buch der Psalmen,
die Evangelien und Briefe dem Verständnis von Scharen begeisterter
Zuhörer. Staupitz nötigte ihn, die Kanzel zu besteigen und das Wort
Gottes zu predigen. Luther zögerte, da er sich unwürdig fühlte, als
Bote Christi zum Volk zu reden. Nur nach langem Widerstreben
gab er den Bitten seiner Freunde nach. Die Wahrheiten der Heiligen
Schrift erfüllten ihn schon stark, und Gottes Gnade ruhte auf ihm.
Seine Beredsamkeit fesselte die Zuhörer, die Klarheit und Macht in
der Darstellung der Wahrheit überzeugte ihren Verstand, und seine
Inbrunst bewegte die Herzen.
Luther war noch immer ein treuer Sohn der päpstlichen Kirche
und dachte nicht daran, je etwas anderes zu sein. Nach der Vorsehung
Gottes bot sich ihm Gelegenheit, Rom zu besuchen. Er machte die
Reise zu Fuß, wobei er in den am Wege liegenden Klöstern Herberge
fand. Verwunderung erfüllte ihn, als er in einem Kloster in Italien
den Reichtum, die Pracht und den Aufwand dieser Stätten sah. Mit
einem fürstlichen Einkommen beschenkt, wohnten die Mönche in
glänzenden Gemächern, kleideten sich in die reichsten und köstlich-
sten Gewänder und führten eine üppige Tafel. Schmerzlich besorgt,
verglich Luther dieses Schauspiel mit der Selbstverleugnung und der
Mühsal seines eigenen Lebens. Seine Gedanken wurden verwirrt.
Endlich erblickte er aus der Ferne die Stadt der sieben Hügel.
Tief bewegt warf er sich auf die Erde nieder und rief: „Sei mir ge-
grüßt, du heiliges Rom!“ Er betrat die Stadt, besuchte die Kirchen,
lauschte den von den Priestern und Mönchen vorgetragenen Wunder-
erzählungen und erfüllte alle vorgeschriebenen Zeremonien. Überall
boten sich ihm Szenen, die ihn in Erstaunen und Schrecken ver-
setzten. Er sah, daß unter allen Klassen der Geistlichkeit das Laster
herrschte. Von den Lippen der Geistlichen mußte er unanständige
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Redensarten hören. Ihr gottloses Wesen, selbst während der Messe,
entsetzte ihn. Als er sich unter die Mönche und Bürger mischte, fand
er Verschwendung und Ausschweifung. Wohin er sich auch wandte,
er traf statt Heiligkeit Entweihung. „Niemand glaube, was zu Rom