Seite 134 - Der gro

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Der große Kampf
retten. Gottes Gnade könne nicht erkauft werden; sie sei eine freie
Gabe. Er riet dem Volk, keine Ablässe zu kaufen, sondern gläubig
auf den gekreuzigten Erlöser zu schauen. Er erzählte seine eigene
schmerzliche Erfahrung, als er umsonst versucht hatte, sich durch
Demütigung und Buße Erlösung zu verschaffen, und versicherte
seinen Zuhörern, daß er Friede und Freude gefunden habe, als er
von sich selbst wegsah und an Christus glaubte.
Als Tetzel seinen Handel und seine gottlosen Behauptungen
fortsetzte, entschloß sich Luther zu einem wirksameren Widerstand
gegen die schreienden Mißbräuche. Bald bot sich hierzu Gelegenheit.
Die Schloßkirche zu Wittenberg war im Besitz vieler Reliquien, die
an gewissen Festtagen für das Volk ausgestellt wurden. Vergebung
der Sünden gewährte man allen, die dann die Kirche besuchten und
beichteten. Demzufolge war das Volk an diesen Tagen in großer
Zahl dort zu finden.
Eine der wichtigsten Gelegenheiten, das Fest „Allerheiligen“,
stand vor der Tür. Am Tage zuvor schloß Luther sich der Menge
an, die bereits auf dem Wege nach der Kirche war und heftete einen
Bogen mit 95 Thesen gegen die Ablaßlehre an die Kirchentür. Er
erklärte sich bereit, am folgenden Tag in der Universität diese Sätze
gegen alle, die sie angreifen würden, zu verteidigen.
Seine Thesen zogen die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich.
Sie wurden wieder und wieder gelesen und nach allen Richtungen
hin wiederholt. Große Aufregung entstand in der Universität und in
der ganzen Stadt. Durch diese Thesen wurde gezeigt, daß die Macht,
Vergebung der Sünden zu gewähren und ihre Strafe zu erlassen, nie
dem Papst oder irgendeinem andern Menschen übergeben worden
war. Der ganze Plan sei ein Betrug, ein Kunstgriff, um Geld zu
erpressen, indem man den Aberglauben des Volkes ausbeute — eine
List Satans, um die Seelen aller zu verderben, die sich auf seine
lügenhaften Vorspiegelungen verließen. Ferner wurde klar dargelegt,
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daß das Evangelium Christi der kostbarste Schatz der Kirche ist und
daß die darin offenbarte Gnade Gottes allen frei gewährt wird, die
sie in Reue und Glauben suchen.
Luthers Thesen forderten zur Diskussion heraus; aber niemand
wagte es, die Herausforderung anzunehmen. Die von ihm gestell-
ten Fragen waren in wenigen Tagen in ganz Deutschland bekannt
und erschollen in wenigen Wochen durch die ganze Christenheit.