Seite 147 - Der gro

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Luthers Trennung von Rom
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ren Erwartung, daß er verderben oder sich unterwerfen müsse. Doch
mit schrecklicher Gewalt schleuderte er das Verdammungsurteil auf
seinen Urheber zurück und erklärte öffentlich seinen Entschluß,
auf immer mit Rom zu brechen. In Gegenwart einer großen An-
zahl von Studenten, Gelehrten und Bürgersleuten jeglichen Ranges
verbrannte Luther die päpstliche Bulle, auch die Dekretalien und
andere Schriftstücke seiner Gegner, die Roms Macht unterstützten.
Er begründete sein Vorgehen mit den Worten: „Dieweil durch ihr
solch Bücherverbrennen der Wahrheit ein großer Nachteil und bei
dem schlechten, gemeinen Volk ein Wahn dadurch erfolgen möchte
zu vieler Seelen Verderben, habe ich ... der Widersacher Bücher
wiederum verbannt.“ „Es sollen diese ein Anfang des Ernstes sein;
denn ich bisher doch nur gescherzt und gespielt habe mit des Papstes
Sache. Ich habe es in Gottes Namen angefangen; hoffe, es sei an der
Zeit, daß es auch in demselben ohne mich sich selbst ausführe.
Auf die Vorwürfe seiner Feinde, die ihn mit der Schwäche seiner
Sache stichelten, erwiderte Luther: „Wer weiß, ob mich Gott dazu
berufen und erweckt hat und ihnen zu fürchten ist, daß sie nicht
Gott in mir verachten ... Mose war allein im Ausgang von Ägypten,
Elia allein zu König Ahabs Zeiten, Elisa auch allein nach ihm;
Jesaja war allein in Jerusalem ... Hesekiel allein zu Babylon ...
Dazu hat er noch nie den obersten Priester oder andere hohe Stände
zu Propheten gemacht; sondern gemeiniglich niedrige, verachtete
Personen auferweckt, auch zuletzt den Hirten Amos ... Also haben
die lieben Heiligen allezeit wider die Obersten, Könige, Fürsten,
Priester, Gelehrten predigen und schelten müssen, den Hals daran
wagen und lassen ... Ich sage nicht, daß ich ein Prophet sei; ich sage
aber, daß ihnen so vielmehr zu fürchten ist, ich sei einer, so vielmehr
sie mich verachten und sich selbst achten ... so bin ich jedoch gewiß
für mich selbst, daß das Wort Gottes bei mir und nicht bei ihnen
ist.
[143]
Aber nicht ohne gewaltigen inneren Kampf entschloß sich Luther
schließlich zu einer Trennung von Rom. Etwa um diese Zeit schrieb
er: „Ich empfinde täglich bei mir, wie gar schwer es ist, langwährige
Gewissen, und mit menschlichen Satzungen gefangen, abzulegen.
1
Luther, EA, XXIV 155,164
1
Luther, EA, XXIV 58.59