Seite 172 - Der gro

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Der große Kampf
Aber sein felsenfestes Ausharren beim Worte Gottes war das Mittel
zur Befreiung der Gemeinde und der Anfang eines neuen und bes-
seren Zeitalters. Indem Luther in religiösen Dingen selbständig zu
denken und zu handeln wagte, beeinflußte er nicht nur die Kirche, ja
die ganze Welt seiner Zeit, sondern auch alle künftigen Geschlechter.
Seine Standhaftigkeit und Treue sollten bis zum Ende der Tage alle
stärken, die ähnliche Erfahrungen zu bestehen haben werden. Gottes
Macht und Majestät standen erhaben über dem Rat der Menschen
und über der gewaltigen Macht des Bösen.
Bald darauf erging an Luther der kaiserliche Befehl, in seine
Heimat zurückzukehren, und er wußte, daß dieser Weisung bald seine
Verurteilung folgen würde. Drohende Wolken hingen über seinem
Pfad. Doch als er Worms verließ, erfüllten Freude und Dank sein
Herz. „Der Teufel hat auch wohl verwahret des Papstes Regiment
und wollte es verteidigen; aber Christus machte ein Loch darein.
Auf seiner Heimreise schrieb Luther, der noch immer von dem
Wunsch beseelt war, daß seine Festigkeit nicht als Empörung miß-
deutet werden möchte, an den Kaiser: „Gott, der ein Herzenskün-
diger ist, ist mein Zeuge, daß ich in aller Untertänigkeit Eurer Kai-
serlichen Majestät Gehorsam zu leisten ganz willig und bereit bin,
es sei durch Leben oder Tod, durch Ehre, durch Schande, Gut oder
Schaden. Ich habe auch nichts vorbehalten als allein das göttliche
Wort, in welchem der Mensch nicht allein lebt, sondern wonach es
auch den Engeln gelüstet zu schauen.“ — „In zeitlichen Sachen sind
wir schuldig, einander zu vertrauen, weil derselben Dinge Unterwer-
fung, Gefahr und Verlust der Seligkeit keinen Schaden tut. Aber in
Gottes Sache und ewigen Gütern leidet Gott solche Gefahr nicht,
daß der Mensch dem Menschen solches unterwerfe.“ — „Solcher
Glaube und Unterwerfung ist das wahre rechte Anbeten und der
eigentliche Gottesdienst.
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Auf der Rückreise von Worms war Luthers Empfang in den
einzelnen Städten sogar noch großartiger als auf der Hinreise. Hoch-
stehende Geistliche bewillkommneten den mit dem Bann belegten
Mönch, und weltliche Beamte ehrten den vom Kaiser geächteten
Mann. Er wurde aufgefordert, zu predigen und betrat auch trotz des
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Luther, Leipziger Ausgabe, XVII, 589
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Enders, Bd. III, 129-141, 28.4.1521