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Der Reformator der Schweiz
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und faßt Gott in sich, in dem lebt sie, danach fechtet sie.
Zwingli
hatte die Wahrheit dieser Worte an sich selbst erfahren. Später spricht
er noch einmal von dieser Erfahrung: „Als ich vor sieben oder acht
Jahren anhub, mich ganz an die Heilige Schrift zu lassen, wollte mir
die Philosophie und Theologie der Zänker immerdar ihre Einwürfe
machen. Da kam ich zuletzt dahin, daß ich dachte (doch mit Schrift
und Wort Gottes dazu geleitet): Du mußt das alles lassen liegen
und die Meinung Gottes lauter aus seinem eigenen einfältigen Wort
lernen. Da hub ich an, Gott um sein Licht zu bitten, und fing mir an,
die Schrift viel heller zu werden.
Die Lehre, die Zwingli verkündigte, hatte er nicht von Luther
empfangen: es war die Lehre Christi. „Predigt Luther Christus“,
schrieb der schweizerische Reformator, „so tut er eben dasselbe, was
ich tue; wiewohl, Gott sei gelobt, durch ihn eine unzählbare Welt
mehr als durch mich und andere zu Gott geführt werden. Dennoch
will ich keinen anderen Namen tragen als den meines Hauptmanns
Christi, dessen Kriegsmann ich bin; der wird mir Amt und Sold
geben, so viel ihm gut dünkt.“ — „Dennoch bezeuge ich vor Gott
und allen Menschen, daß ich keinen Buchstaben alle Tage meines
Lebens Luther geschrieben habe, noch er mir, noch habe ich solches
veranstaltet. Solches habe ich nicht unterlassen aus Menschenfurcht,
sondern weil ich dadurch habe allen Menschen offenbaren wollen,
wie einhellig der Geist Gottes sei, daß wir so weit von einander
wohnen, dennoch so einhellig die Lehre Christi lehren, obwohl ich
ihm nicht anzuzählen bin, denn jeder von uns tut, soviel ihm Gott
weist.
Zwingli wurde 1516 eine Pfarrstelle am Kloster zu Einsiedeln
angeboten. Hier erhielt er einen klareren Einblick in die Verderbt-
heit Roms. Er übte einen reformerischen Einfluß aus, der sich weit
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über seine heimatlichen Alpen hinaus fühlbar machen sollte. Ein an-
geblich Wunder wirkendes Gnadenbild der Jungfrau Maria gehörte
zu den Hauptanziehungspunkten in Einsiedeln. Über der Eingangs-
pforte des Klosters prangte die Inschrift: „Hier findet man volle
Vergebung der Sünden.
Das ganze Jahr hindurch zogen Pilger
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Zwingli [Schuler und Schultheß], Bd. I, 81
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Zwingli, Bd. I. S. 79
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Zwingli, Bd. I, 256f
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Wirz, ebd., Bd. IV, 142