Seite 180 - Der gro

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Der große Kampf
zum Altar der Maria. Doch einmal im Jahr kamen sie in großer
Zahl aus allen Teilen der Schweiz und auch aus Deutschland und
Frankreich. Dieser Anblick schmerzte Zwingli sehr, und er benutzte
solche Gelegenheiten, ihnen die herrliche Freiheit des Evangeliums
zu verkündigen.
Die Vergebung der Sünden und das ewige Leben seien „bei
Christo und nicht bei der heiligen Jungfrau zu suchen; der Ablaß,
die Wallfahrt und Gelübde, die Geschenke, die man den Heiligen
machte, haben wenig Wert. Gottes Gnade und Hilfe sei allen Orten
gleich nahe und er höre das Gebet anderswo nicht weniger als zu
Einsiedeln“. — „Wir ehren Gott mit Plappergebeten, mit auswen-
digem Schein der Kutten, mit weißem Geschleife, mit säuberlich
geschorenen Glatzen, mit langen, schön gefalteten Röcken, mit wohl-
vergüldeten Mauleseln.“ — „Aber das Herz ist fern von Gott.“ —
„Christus, der sich einmal für uns geopfert hat, ist ein in Ewigkeit
währendes und bezahlendes Opfer für die Sünden aller Gläubigen.
Nicht allen seiner vielen Zuhörer war diese Lehre willkommen.
Manche zeigten sich sehr enttäuscht, daß ihre lange und mühsa-
me Pilgerreise vergebens unternommen worden war. Sie konnten
die ihnen in Christus frei angebotene Vergebung nicht fassen. Sie
waren zufrieden mit dem alten Weg zum Himmel, den Rom ihnen
vorgezeichnet hatte. Die Schwierigkeit, nach etwas Besserem zu
suchen, schreckte sie zurück. Ihre Seligkeit Papst und Priestern an-
zuvertrauen, fiel ihnen leichter, als nach Reinheit des Herzens zu
trachten.
Andere aber freuten sich über die frohe Kunde der Erlösung
in Christus. Ihnen hatten die von Rom auferlegten Bürden keinen
Seelenfrieden gebracht, und gläubig nahmen sie des Heilandes Blut
zu ihrer Versöhnung an. Sie kehrten in ihre Heimat zurück, um
anderen das köstliche Licht zu offenbaren, das sie empfangen hatten.
Auf diese Weise pflanzte sich die Wahrheit von Weiler zu Weiler von
Stadt zu Stadt fort; die Zahl der Pilger zu dem Altar der Jungfrau
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dagegen nahm ab, die Gaben verringerten sich, und somit auch
Zwinglis Gehalt, das aus diesen Einkünften bestritten werden mußte.
Trotz alledem verursachte es ihm nur Freude zu sehen, daß die Macht
des Fanatismus und Aberglaubens auch hier gebrochen wurde.
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Zwinglis Werke, Bd. I. S. 216,232