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Der Reformator der Schweiz
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Seine Vorgesetzten wußten um sein Bemühen. Er drang in sie, die
Mißstände abzustellen; aber sie schritten nicht ein, sondern hofften,
ihn durch Schmeichelei für ihre Sache zu gewinnen. Unterdessen
schlug die Wahrheit in den Herzen des Volkes Wurzel. Zwinglis
Wirken in Einsiedeln hatte ihn für ein größeres Feld vorbereitet, das
er bald betreten sollte. Im Dezember 1518 wurde er zum Leutpriester
am Großmünster zu Zürich berufen. Zürich war damals schon die
bedeutendste Stadt der schweizerischen Genossenschaft, so daß der
dort ausgeübte Einfluß weithin fühlbar wurde. Die Domherren, auf
deren Einladung Zwingli nach Zürich gekommen war, schärften
ihm, da sie Neuerungen befürchteten, bei seiner Amtsübernahme
folgende Hauptpflichten ein:
„Du mußt nicht versäumen, für die Einkünfte des Domkapitels
zu sorgen und auch das Geringste nicht verachten. Ermahne die
Gläubigen von der Kanzel und dem Beichtstuhle, alle Abgaben und
Zehnten zu entrichten und durch Gaben ihre Anhänglichkeit an die
Kirche zu bewähren. Auch die Einkünfte von Kranken, von Opfern
und jeder andern kirchlichen Handlung mußt du zu mehren suchen.
Auch gehört zu deinen Pflichten die Verwaltung des Sakramentes,
die Predigt und die Seelsorge. In mancher Hinsicht, besonders in
der Predigt, kannst du dich durch einen Vikar ersetzen lassen. Die
Sakramente brauchst du nur den Vornehmen, wenn sie dich fordern,
zu reichen; du darfst es sonst ohne Unterschied der Personen nicht
tun.
Ruhig hörte Zwingli diesem Auftrag zu, drückte auch seinen
gebührenden Dank aus für die Ehre, zu einem so wichtigen Amt
berufen worden zu sein, versicherte, alles treu und redlich ausfüh-
ren zu wollen, fuhr dann aber fort, „von der Geschichte Christi, des
Erlösers, wie sie der Evangelist Matthäus beschrieben hat, sei wohl
schon der Titel länger bekannt, aber deren Vortrefflichkeit sei schon
lange Zeit nicht ohne Verlust des göttlichen Ruhmes und der Seelen
verborgen geblieben. Dasselbe sei nicht nach menschlichem Gut-
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dünken zu erklären, sondern im Sinne des Geistes mit sorgfältigem
Vergleich und innigem Gebet“
„alles zur Ehre Gottes und seines
einigen Sohnes und dem rechten Heil der Seelen und Unterrichtung
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Schuler, „Zwingli“, 227; Hottinger, J.H., „Historia ecclesiastica“, Bd. IV, 63-85
1
Myconius, „Zwingli“, 6