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Fortschritt der Reformation in Deutschland
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nes Werkes und sagte einmal: „Wüßte ich, daß meine Lehre einem
einfältigen Menschen schadete (und das kann sie nicht, denn sie ist
das Evangelium selbst), so möchte ich eher zehn Tode leiden, als
nicht widerrufen.
Jetzt aber fiel Wittenberg selbst, der eigentliche Mittelpunkt der
Reformation, schnell unter die Macht des Fanatismus und der Ge-
setzlosigkeit. Dieser schreckliche Zustand wurde nicht durch Luthers
Lehren verursacht, und doch warfen seine Feinde in ganz Deutsch-
land die Schuld auf ihn. Bitterkeit in seinem Herzen, fragte er zu-
weilen: „Dahin sollt es mit der Reformation kommen?“ Wenn er
aber mit Gott im Gebet rang, zog Friede in sein Herz ein: „Gott hat
das angefangen, Gott wird es wohl vollenden.
„Du wirst es nicht
dulden, daß es durch Aberglauben und Fanatismus verderbt wird.“
Doch der Gedanke, in dieser entscheidenden Zeit noch länger von
dem Schauplatz des Kampfes fern zu sein, wurde ihm unerträglich;
er entschloß sich, nach Wittenberg zurückzukehren.
Unverzüglich trat er seine gefahrvolle Reise an. Er stand unter
der Reichsacht. Seine Feinde konnten ihm jederzeit ans Leben ge-
hen; seinen Freunden war es untersagt, ihm zu helfen oder ihn zu
beschützen. Die kaiserliche Regierung ergriff die strengsten Maß-
regeln gegen seine Anhänger. Aber er sah, das Evangeliumswerk
war gefährdet, und im Namen des Herrn ging er furchtlos für die
Wahrheit in den Kampf.
In einem Schreiben an den Kurfürsten erklärte Luther, nachdem
er seine Absicht, die Wartburg zu verlassen, ausgesprochen hatte:
„Eure Kurfürstliche Gnaden wisse, ich komme gen Wittenberg in gar
viel einem höhern Schutz denn des Kurfürsten. Ich hab‘s auch nicht
im Sinne, von Eurer Kurfürstlichen Gnaden Schutz zu begehren. Ja,
ich halt, ich wolle Eure Kurfürstlichen Gnaden mehr schützen, denn
sie mich schützen könnte. Dazu wenn ich wüßte, daß mich Eure
Kurfürstenlichen Gnaden könnte und wollte schützen, so wollte ich
nicht kommen. Dieser Sache soll noch kann kein Schwert raten oder
helfen, Gott muß hier allein schaffen, ohne alles menschliche Sorgen
und Zutun. Darum, wer am meisten glaubt, der wird hier am meisten
schützen.
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D‘Aubigné, ebd., 9.Buch, 7.Abschnitt, 42f
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D‘Aubigné, ebd., 9.Buch, 7.Abschnitt, 42f
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D‘Aubigné, ebd., 9.Buch, 8.Abschnitt, 53f.