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Der Protest der Fürsten
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Protestation tritt gegen zwei menschliche Mißbräuche in Glaubens-
sachen auf: gegen die Einmischung der weltlichen Macht und gegen
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die Willkür des Klerus. Sie setzt an die Stelle der weltlichen Behörde
die Macht des Gewissens, und an die Stelle des Klerus die Auto-
rität des Wortes Gottes. Der Protestantismus erkennt die weltliche
Gewalt in göttlichen Dingen nicht an und sagt, wie die Apostel und
die Propheten: Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen.
Ohne Karls V. Krone anzutasten, hält er die Krone Jesu Christi
aufrecht, und noch weitergehend stellt er den Satz auf, daß alle Men-
schenlehre den Aussprüchen Gottes untergeordnet sein soll.
Die
Protestierenden hatten ferner ihr Recht geltend gemacht, ihre reli-
giöse Überzeugung frei aussprechen zu können. Sie wollten nicht
nur glauben und befolgen, was das Wort Gottes ihnen nahebrach-
te, sondern es auch lehren, und sie stellten das Recht der Priester
oder Behörden in Abrede, sich hierbei einzumischen. Der Protest zu
Speyer war ein feierliches Zeugnis gegen religiöse Unduldsamkeit
und eine Behauptung des Rechtes aller Menschen, Gott nach ihrem
eigenen Gewissen anzubeten.
Die Erklärung war abgegeben. Sie war Tausenden ins Gedächtnis
geschrieben und in die Bücher des Himmels eingetragen worden, wo
keine menschliche Anstrengung sie auslöschen konnte. Das ganze
evangelische Deutschland nahm den Protest als Ausdruck seines
Glaubens an. Überall erblickten die Menschen in dieser Erklärung
den Anfang einer neuen und besseren Zeit. Einer der Fürsten sagte
den Protestanten in Speyer: „Der allmächtige Gott, der euch die
Gnade verliehen, ihn kräftig, frei und furchtlos zu bekennen, be-
wahre euch in dieser christlichen Standhaftigkeit bis zum Tage des
Gerichts!
Hätte die Reformation nach einem erfolgreichen Anfang ein-
gewilligt, sich den Zeitumständen anzupassen, um sich die Gunst
der Welt zu erwerben, so wäre sie Gott und sich selbst untreu ge-
worden und hätte auf diese Weise selbst ihren Untergang bewirkt.
Die Erfahrung jener prächtigen Reformatoren enthält eine Lehre
für alle späteren Zeiten. Satans Art und Weise, gegen Gott und sein
Wort zu wirken, hat sich nicht verändert; er stellt sich noch immer
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D‘Aubigné, ebd., 13.Buch, 6.Abschnitt
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D‘Aubigné, ebd., 13.Buch, 6.Abschnitt