Seite 210 - Der gro

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Der große Kampf
ebenso sehr dagegen, die Heilige Schrift zum Führer des Lebens zu
machen, wie im 16.Jahrhundert. Heutzutage weicht man stark von
ihren Lehren und Geboten ab, und eine Rückkehr zu dem protestan-
tischen Grundsatz, die Bibel und nur die Bibel als Richtschnur des
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Glaubens und der Pflicht zu betrachten, ist notwendig. Satan wirkt
noch immer mit allen Mitteln, über die er verfügt, um die religiöse
Freiheit zu unterdrücken. Die Macht, die die protestierenden Fürsten
in Speyer verwarfen, suchte nun mit erneuerter Kraft die verlorene
Oberherrschaft wiederzugewinnen. Das gleiche unwandelbare Fest-
halten am Worte Gottes, das sich in jener Entscheidungsstunde der
Reformation bekundete, ist die einzige Hoffnung für eine Reform
der Gegenwart.
Die Protestanten erkannten Anzeichen der Gefahr. Es gab aber
auch Anzeichen, daß die göttliche Hand ausgestreckt war, um die
Getreuen zu beschützen. „Kurz vorher hatte Melanchthon seinen
Freund Simon Grynäus rasch durch die Stadt an den Rhein geführt
mit der Bitte, sich übersetzen zu lassen. Als dieser über das hastige
Drängen erstaunt war, erzählte ihm Melanchthon: Eine ernste, wür-
dige Greisengestalt, die er nicht gekannt, sei ihm entgegengetreten
mit der Nachricht, Ferdinand habe Häscher abgeschickt, um den
Grynäus zu verhaften.
Am Tage hatte sich Grynäus über eine Predigt Fabers, eines
führenden katholischen Gelehrten, entrüstet; nach der Predigt mach-
te er ihm Vorhaltungen darüber und bat ihn, „die Wahrheit nicht
länger zu bekämpfen. Faber hatte seinen Zorn nicht merken las-
sen, sich aber gleich zum König begeben und von diesem einen
Haftbefehl gegen den unbequemen Heidelberger Professor erwirkt.
Melanchthon glaubte fest, Gott habe einen Engel vom Himmel ge-
sandt, um seinen Freund zu retten; er blieb am Rhein stehen, bis
der Fluß zwischen ihm und seinen Verfolgern war, und als er ihn
am entgegengesetzten Ufer angekommen sah, rief er: ‚Endlich ist er
denen entrissen, welche nach dem Blute der Unschuldigen dürsten¡
Nachher erfuhr Melanchthon, daß man unterdessen nach Grynäus in
dessen Wohnung gesucht hatte.
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D‘Aubigné, ebd., 13.Buch, 6.Abschnitt
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D‘Aubigné, ebd., 13.Buch, 6.Abschnitt