Seite 228 - Der gro

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Der große Kampf
Jüngling, freundlich und anspruchslos in seinem Wesen. Er begann
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seine Aufgabe bei den Leuten in ihren Wohnungen. Umgeben von
den Angehörigen des Haushaltes las er die Bibel und erklärte die
Heilswahrheiten. Die Zuhörer brachten andern die frohe Kunde, und
bald ging Calvin von der Stadt in die umliegenden kleineren Städte
und Dörfer. Er fand ebenso in Schlössern wie in Hütten Eingang; er
machte Fortschritte und legte den Grund zu Gemeinden, aus denen
unerschrockene Zeugen für die Wahrheit hervorgehen sollten.
Einige Monate später war er wieder in Paris. Im Kreise der Ge-
bildeten und Gelehrten herrschte eine ungewohnte Aufregung. Das
Studium der alten Sprachen hatte die Menschen zur Bibel geführt,
und viele, deren Herzen von ihren Wahrheiten unberührt waren,
besprachen sie eifrig und stritten sogar mit den Verfechtern der rö-
mischen Kirche. Calvin, ein tüchtiger Kämpfer auf dem Gebiete
theologischer Streitigkeiten, hatte einen höheren Auftrag zu erfüllen
als diese lärmenden Schulgelehrten. Die Gemüter der Menschen wa-
ren geweckt, und jetzt war die Zeit gekommen, ihnen die Wahrheit
nahezubringen. Während die Hörsäle der Universitäten von dem
Geschrei theologischer Streitfragen erfüllt waren, ging Calvin von
Haus zu Haus, öffnete den Menschen das Verständnis der Heiligen
Schrift und sprach zu ihnen von Christus, dem Gekreuzigten.
Durch Gottes gnädige Vorsehung sollte Paris wiederum eine
Einladung erhalten, das Evangelium anzunehmen. Es hatte den Ruf
Fabers und Farels verworfen; doch erneut sollten alle Stände in jener
großen Hauptstadt die Botschaft vernehmen. Der König hatte sich
politischer Rücksichten halber noch nicht völlig für Rom und ge-
gen die Reformation entschieden. Margarete hegte noch immer die
Hoffnung, daß der Protestantismus in Frankreich siegen würde. Sie
bestimmte, daß in Paris der reformierte Glaube gepredigt werden
sollte. Während der Abwesenheit des Königs ließ sie einen protestan-
tischen Prediger in den Kirchen der Stadt den wahren Bibelglauben
verkündigen. Als dies von den päpstlichen Würdenträgern verboten
wurde, stellte die Fürstin ihren Palast zur Verfügung. Ein Gemach
wurde als Kapelle hergerichtet, und dann gab man bekannt, daß
täglich zu einer bestimmten Stunde eine Predigt stattfände und daß
das Volk aller Stände dazu eingeladen sei. Große Scharen strömten
zum Gottesdienst. Nicht nur die Kapelle, sondern auch die Vorzim-
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mer und Hallen waren gedrängt voll. Tausende kamen jeden Tag