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Die Reformation in Frankreich
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schworen in späteren Jahrhunderten gerade das Schicksal herauf, das
sie dem König, seiner Regierung und seinen Untertanen prophezeit
hatten; aber es wurde durch Ungläubige und durch die päpstlichen
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Anhänger selbst herbeigeführt. Es war nicht die Aufrichtung, son-
dern die Unterdrückung des Protestantismus, die dreihundert Jahre
später diese schrecklichen Heimsuchungen über Frankreich bringen
sollte.
Argwohn, Mißtrauen und Entsetzen durchdrangen nun alle Klas-
sen der Gesellschaft. Inmitten der allgemeinen Aufregung zeigte es
sich wie tief die lutherische Lehre in den Herzen der Männer Wurzel
gefaßt hatte, die sich durch ihre Bildung, ihren Einfluß und ihren
vorzüglichen Charakter auszeichneten. Vertrauensstellungen und
Ehrenposten fand man plötzlich unbesetzt. Handwerker, Drucker,
Gelehrte, Professoren der Universitäten, Schriftsteller, ja sogar Höf-
linge verschwanden. Hunderte flohen aus Paris und verließen frei-
willig ihre Heimat und gaben dadurch in vielen Fällen kund, daß sie
den reformierten Glauben begünstigten. Die Katholiken blickten er-
staunt um sich bei dem Gedanken an die Ketzer, die man ahnungslos
in ihrer Mitte geduldet hatte. Ihre Wut ließen sie an den zahlrei-
chen niedrigeren Opfern aus, die sich in ihrer Gewalt befanden. Die
Gefängnisse waren gedrängt voll und der Himmel schien verdun-
kelt durch den Rauch der brennenden Scheiterhaufen, die für die
Bekenner des Evangeliums angezündet waren.
Franz I. hatte sich gerühmt, ein Bahnbrecher der Wiederbelebung
der Gelehrsamkeit zu sein, die den Beginn des 16.Jahrhunderts kenn-
zeichnete. Es hatte ihm Freude gemacht, gelehrte Männer aus allen
Ländern an seinem Hof zu versammeln. Seine Liebe zur Gelehrsam-
keit und seiner Verachtung der Unwissenheit und des Aberglaubens
der Mönche verdankte man wenigstens zum Teil den Grad religiöser
Duldung, die der Reformation gewährt worden war. Aber von dem
Eifer angetrieben, die Ketzerei auszurotten, erließ dieser Schutz-
herr der Wissenschaft ein Edikt, welches in ganz Frankreich das
Drucken verbot. Franz I. lieferte eins der vielen Beispiele in der
Geschichte, die beweisen, daß geistige Bildung nicht vor religiöser
Unduldsamkeit und Verfolgung schützt.
Durch eine feierliche und öffentliche Handlung sollte Frank-
reich sich völlig zur Vernichtung des Protestantismus hergeben. Die
Priester verlangten, daß der dem Himmel durch Verdammung der