Seite 234 - Der gro

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Der große Kampf
Messe widerfahrene Schimpf durch Blut gesühnt werden müsse, und
daß der König um seines Volkes willen dieses schreckliche Werk
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öffentlich gutheißen solle.
Der 21. Januar 1535 wurde für diese schreckliche Handlung
bestimmt. Die abergläubischen Befürchtungen und der blinde Haß
des gesamten Volkes waren geweckt worden. Die Straßen von Paris
füllte eine Menschenmenge, die sich aus der ganzen umliegenden
Gegend eingefunden hatte. Der Tag sollte durch eine großartige,
prunkvolle Prozession eingeleitet werden. Die Häuser, an denen der
Zug vorüberführen sollte, waren mit Trauerflor behangen, und hier
und da erhoben sich Altäre. Vor jeder Tür befand sich zu Ehren des
„heiligen Sakramentes“ eine brennende Fackel. Der Festzug bildete
sich vor Tagesanbruch im königlichen Palast. „Zuerst kamen die
Banner und Kreuze der verschiedenen Kirchspiele, dann erschienen
paarweise Bürger mit Fackeln in den Händen.“ Ihnen folgten die
Vertreter der vier Mönchsorden, jeder in seiner ihm eigenen Tracht.
Dann kam eine große Sammlung berühmter Reliquien. Hinter diesen
ritten Kirchenfürsten in ihren Pupur- und Scharlachgewändern und
ihrem Juwelenschmuck — eine prunkvolle, glänzende Anordnung.
„Die Hostie wurde von dem Bischof von Paris unter einem kost-
baren Baldachin, ... der von vier Prinzen von Geblüt gehalten wurde,
einhergetragen ... Hinter der Hostie ging der König ... Franz I. trug
weder Krone noch königliche Gewänder; mit entblößtem Haupt und
gesenktem Blick, in der Hand eine brennende Kerze haltend“, er-
schien der König von Frankreich „als ein Büßender“
Vor jedem
Altar verneigte er sich in Demut, nicht wegen der Laster, die seine
Seele verunreinigten, oder um des unschuldigen Blutes willen, das
seine Hände befleckte, sondern um die Todsünde seiner Untertanen
zu versöhnen, die es gewagt hatten, die Messe zu verdammen. Ihm
folgten die Königin und paarweise die Würdenträger des Staates,
jeder mit einer brennenden Kerze.
Als einen Teil des Dienstes an jenem Tage hielt der Monarch
selbst im großen Saal des bischöflichen Palastes eine Ansprache an
die hohen Beamten des Reiches. Mit sorgenvoller Miene erschien er
vor ihnen und beklagte mit bewegten Worten „den Frevel, die Got-
teslästerung, den Tag des Schmerzes und der Schande“, der über das
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Wylie, 13.Buch, Kapitel 21