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Die Reformation in Frankreich
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Volk hereingebrochen sei. Dann forderte er jeden treuen Untertanen
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auf, an der Ausrottung der verderblichen Ketzerei mitzuhelfen, die
Frankreich mit dem Untergang bedrohe. „So wahr ich euer König
bin, ihr Herren, wüßte ich eines meiner eigenen Glieder von dieser
abscheulichen Fäulnis befleckt und angesteckt, ich ließe es mir von
euch abhauen ... Noch mehr: sähe ich eines meiner Kinder damit
behaftet, ich würde sein nicht schonen ... Ich würde es selbst aus-
liefern und Gott zum Opfer bringen!“ Tränen erstickten seine Rede,
die ganze Versammlung weinte und rief einstimmig: „Wir wollen
leben und sterben für den katholischen Glauben!
Schrecklich war die Finsternis des Volkes geworden, welches
das Licht der Wahrheit verworfen hatte. „Die heilsame Gnade“ war
ihm erschienen; doch Frankreich hatte sich, nachdem es ihre Macht
und Heiligkeit geschaut, nachdem Tausende von ihrem göttlichen
Reiz gefesselt, Städte und Weiler von ihrem Glanz erleuchtet worden
waren, abgewandt und die Finsternis dem Licht vorgezogen. Es hatte
die himmlische Gabe von sich gewiesen, als sie ihm angeboten
wurde. Es hatte Böses gut und Gutes böse geheißen, bis es ein Opfer
seiner hartnäckigen Selbsttäuschung geworden war. Und wenn es
jetzt auch wirklich glauben mochte, Gott einen Dienst zu erweisen,
indem es dessen Kinder verfolgte, so konnte seine Aufrichtigkeit
doch nicht seine Schuld abtragen. Frankreich hatte das Licht, das es
vor Täuschung und vor dem Makel der Blutschuld hätte bewahren
können, eigenwillig verworfen.
In der großen Kathedrale, wo fast drei Jahrhunderte später die
„Göttin der Vernunft“ von einem Volk auf den Thron gehoben wurde,
das den lebendigen Gott vergessen hatte, dort legten die Teilneh-
mer der Prozession einen feierlichen Eid ab, die Ketzerei auszurot-
ten. Von neuem bildete sich der Zug, und die Vertreter Frankreichs
schickten sich an, das Werk zu beginnen, das sie geschworen hatten,
auszuführen. „In geringen Zwischenräumen waren Gerüste errichtet
worden, auf denen gewisse Protestanten lebendig verbrannt werden
sollten, und es war bestimmt worden, die Holzscheite beim Her-
annahen des Königs anzuzünden, damit die Prozession anhalten
und Augenzeuge der Hinrichtung sein möchte.
Die Einzelheiten
1
D‘Aubigné, 4.Buch, Kapitel 12
1
Wylie, 13.Buch, Kapitel 21