Seite 238 - Der gro

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Der große Kampf
zu Dorf, von Stadt zu Stadt, ertrug Hunger, Kälte und Müdigkeit
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und war überall in Lebensgefahr. Er predigte auf Marktplätzen, in
Kirchen, mitunter auf den Kanzeln der Kathedralen. Manchmal fand
er die Kirche ohne Zuhörer; zuweilen wurde seine Predigt von Ge-
schrei und Spott unterbrochen, ja, er wurde sogar gewaltsam von der
Kanzel heruntergerissen. Mehr als einmal griff ihn der Pöbel an und
schlug ihn fast tot. Dennoch drängte Farel vorwärts, wenn er auch
oft zurückgeschlagen wurde. Mit unermüdlicher Ausdauer wandte
er sich immer wieder dem Kampfe zu, und nach und nach sah er
Dörfer und Städte, die zuvor Hochburgen des Papsttums gewesen
waren, dem Evangelium ihre Tore öffnen. Das kleine Kirchspiel, in
dem er mit seiner Arbeit begonnen hatte, nahm bald den reformier-
ten Glauben an. Auch die Städte Murten und Neuenburg gaben die
römischen Bräuche auf und entfernten die Bilder aus ihren Kirchen.
Schon lange hatte Farel gewünscht, die protestantische Fahne in
Genf aufzupflanzen. Könnte diese Stadt gewonnen werden, sie wäre
der Mittelpunkt für die Reformation in Frankreich, in der Schweiz
und in Italien. Mit diesem Ziel im Auge hatte er seine Arbeit fortge-
setzt, bis viele der umliegenden Städte und Ortschaften gewonnen
worden waren. Dann ging er mit einem einzigen Gefährten nach
Genf. Aber nur zwei Predigten durfte er dort halten. Die Priester,
die sich umsonst bemühten hatten, von den zivilen Behörden seine
Verurteilung zu erlangen, beschieden ihn jetzt vor einen Kirchenrat,
zu dem sie sich mit unter den Kleidern verborgenen Waffen bega-
ben, entschlossen, ihn zu töten. Vor der Halle sammelte sich eine
wütende Menge mit Knütteln und Schwertern, um ihn umzubringen,
falls es ihm gelingen sollte, dem Rat zu entrinnen. Die Anwesenheit
weltlicher Beamter und eine bewaffnete Macht retteten ihn jedoch.
Früh am nächsten Morgen wurde er mit seinem Gefährten über den
See an einen sicheren Ort gebracht. So endete dieser Versuch, Genf
das Evangelium zu verkündigen.
Für den nächsten Versuch wurde ein einfacheres Werkzeug er-
wählt — ein junger Mann von so bescheidenem Aussehen, daß ihn
sogar die offenherzigen Freunde der Reformation kalt behandelten.
Was konnte ein solcher auch da tun, wo Farel verworfen worden
war? Wie konnte einer, der wenig Mut und Erfahrung besaß, dem
Sturm widerstehen, der die Stärksten und Tapfersten zur Flucht ge-
zwungen hatte? „Es soll nicht durch Heer oder Kraft, sondern durch
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