Seite 288 - Der gro

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Der große Kampf
und Aberglauben eingehüllt, so daß es in Laster versank und völlig
untüchtig wurde, sich selbst zu beherrschen.
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Doch die Ergebnisse dieser Bemühungen unterschieden sich
erheblich von dem, was Rom angestrebt hatte. Statt daß sich die
Massen blind ergeben seinen Lehrsätzen unterstellten, wurden sie
zu Gottesleugnern und Revolutionären. Die Politik, die Lehren und
Gebräuche der Kirche verachteten sie als Pfaffentrug und betrach-
teten die Geistlichkeit als mitverantwortlich für ihr elendes Dasein.
Der Gott Roms war der einzige Gott, den sie kannten, Roms Lehre
ihre einzige Religion.
Rom hatte den Charakter Gottes falsch dargestellt und seine For-
derungen verdreht, und nun verwarfen die Menschen sowohl die
Bibel als auch ihren Urheber. Rom hatte einen blinden Glauben
an seine Lehrsätze gefordert, und dabei die Schrift angeblich gut-
geheißen. Die Rückwirkung sah so aus, daß Voltaire und die ihm
Geistesverwandten das Wort Gottes gänzlich beiseitesetzten und
überall das Gift des Unglaubens verbreiteten. Rom hatte das Volk
unter seinen eisernen Füßen niedergetreten, und nun brachen die
entwürdigten und verrohten Massen als Erwiderung auf die Zwangs-
herrschaft alle Schranken. Rasend vor Wut über den gleißenden
Betrug, dem sie so lange gehuldigt hatten, verwarfen sie Wahrheit
und Irrtum zusammen. Indem sie die Zügellosigkeit für Freiheit
hielten, jubelten die Sklaven des Lasters in ihrer vermeintlichen
Freiheit.
Nach Beginn der Revolution räumte der König dem Volk eine
Vertretung ein, die die gemeinsame des Adels und der Geistlichkeit
überwog. Somit befand sich das Übergewicht der Macht in der Hand
des Volkes, das aber nicht imstande war, sie zu benutzen. Eifrig
bestrebt, das erlittene Unrecht zu ahnden, beschloß es, die Erneue-
rung der Gesellschaft vorzunehmen. Die schimpflich behandelten
Volksmassen, deren Gemüter mit bitteren, seit langem angehäuften
Erinnerungen an Ungerechtigkeiten erfüllt waren, erklärten, den un-
erträglich gewordenen Zustand des Elends ändern und sich an denen
rächen zu wollen, die sie als Urheber ihrer Leiden ansahen. Die
Unterdrückten setzten die Lehre, die sie unter der Gewaltherrschaft
gelernt hatten, in die Tat um und tyrannisierten jetzt die, von denen
sie unterdrückt worden waren.