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Die Zerstörung Jerusalems
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nicht zu mir kommen, daß ihr das Leben haben möchtet.“
Johannes
5,40
.
Christus sah in Jerusalem ein Sinnbild der in Unglauben und
Empörung verhärteten Welt, die dem vergeltenden Gericht Gottes
entgegen eilt. Die Leiden eines gefallenen Geschlechtes bedrückten
seine Seele, und seinen Lippen entrang sich jener außerordentlich
bittere Aufschrei. Er sah im menschlichen Elend, in Tränen und
Blut die Spuren der Sünde, sein Herz wurde von unendlichem Mit-
leid mit den Bedrängten und Leidenden auf dieser Erde bewegt; er
sehnte sich danach, ihnen allen Erleichterung zu verschaffen. Aber
selbst seine Hand konnte nicht die Flut menschlichen Elends ab-
wenden; denn nur wenige würden die Quelle ihrer einzigen Hilfe
suchen. Er war bereit, in den Tod zu gehen, um ihnen die Erlösung
zu ermöglichen; aber nur wenige kämen zu ihm, um das Leben zu
ererben.
Die Majestät des Himmels in Tränen! Der Sohn des ewigen
Gottes niedergebeugt von Seelenangst! Dieser Anblick setzte den
ganzen Himmel in Erstaunen. Jene Szene offenbart uns die überaus
große Verderbtheit der Sünde; sie zeigt, welch eine schwere Auf-
gabe es selbst für die göttliche Allmacht ist, die Schuldigen von
den Folgen der Übertretung des Gesetzes zu retten. Auf das letzte
Geschlecht herabblickend, sah Jesus die Welt von einer Täuschung
befallen, ähnlich der, die zur Zerstörung Jerusalems führen sollte.
Die große Sünde der Juden war die Verwerfung Christi; das große
Vergehen der christlichen Welt wäre die Verwerfung des Gesetzes
Gottes, der Grundlage seiner Regierung im Himmel und auf Erden.
Die Gebote des Herrn würden verachtet und verworfen werden.
Millionen Menschen in den Banden der Sünden, Sklaven Satans,
verurteilt, den ewigen Tod zu erleiden, würden sich in den Tagen
ihrer Heimsuchung weigern, auf die Worte der Wahrheit zu lauschen.
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Schreckliche Blindheit; seltsame Verblendung!
Als Christus zwei Tage vor dem Passahfest zum letztenmal den
Tempel verließ, wo er die Scheinheiligkeit der jüdischen Obersten
bloßgestellt hatte, ging er abermals mit seinen Jüngern nach dem
Ölberg und setzte sich mit ihnen auf einen grasbewachsenen Ab-
hang, von dem man die Stadt gut überblicken konnte. Noch einmal
schaute er auf ihre Mauern, Türme und Paläste; noch einmal betrach-