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Die Waldenser
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le, die ihre köstlichen Schätze entdecken wollen, danach graben
müssen, hat die Heilige Schrift Schätze der Wahrheit, die nur dem
ernsten, demütigen, inständig betenden Sucher offenbar werden. Daß
die Bibel ein Lehrbuch für alle Menschen, und zwar für die Kinder,
Jugendlichen und Erwachsenen sein soll, ist Gottes eindeutiger Wil-
le. Immer sollte es erforscht werden. Gott gab den Menschen sein
Wort als eine Offenbarung seines Wesens. Mit jeder neuerkannten
Wahrheit wird der Charakter ihres Urhebers deutlicher enthüllt. Das
Studium der Heiligen Schrift ist das von Gott verordnete Mittel,
Menschen in engere Verbindung mit ihrem Schöpfer zu bringen und
ihnen eine klarere Erkenntnis seines heiligen Willens zu geben. Es
knüpft die Verbindung zwischen Gott und dem Menschen.
Während die Waldenser die Furcht des Herrn als der Weisheit
Anfang erkannten, übersahen sie keineswegs die Wichtigkeit ei-
ner Berührung mit der Welt, einer Kenntnis der Menschen und des
tätigen Lebens, um den Geist zu erweitern und den Verstand zu
schärfen. Aus ihren Schulen in den Bergen wurden etliche Jünglinge
auf Erziehungsanstalten in Frankreich oder Italien gesandt, wo sie
ein ausgedehnteres Feld zum Studieren, Denken und Beobachten
haben konnten als in ihren heimatlichen Alpen. Die auf diese Weise
hinausgesandten Jünglinge waren Versuchungen ausgesetzt; sie sa-
hen Laster und begegneten Satans verschlagenen Dienern, die ihnen
die verfänglichsten Irrlehren und die gefährlichsten Täuschungen
aufzudrängen suchten. Aber ihre Erziehung von Kind auf war dazu
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angelegt, sie auf alle diese Gefahren vorzubereiten.
In den Schulen, die sie besuchten, sollten sie niemanden zum
Vertrauten machen. Ihre Kleider waren so zugeschnitten, daß sie
ihren größten Schatz — die wertvollen Abschriften der Heiligen
Schrift — darin verbergen konnten. Diese Handschriften, die Frucht
monate- und jahrelanger harter Arbeit, führten sie mit sich, und wenn
es ihnen, ohne Verdacht zu erregen, möglich war, boten sie diese de-
nen an, deren Herzen für die Wahrheit empfänglich zu sein schienen.
Von klein auf waren die waldensischen Jünglinge mit diesem Ziel
vor Augen erzogen worden; sie verstanden ihr Werk und führten es
gewissenhaft aus. Viele wurde in diesen Lehranstalten zum wahren
Glauben bekehrt, ja, häufig durchdrangen dessen Grundsätze die
ganze Schule, und doch konnten die päpstlichen Leiter trotz sorgfäl-
tigen Nachforschens der sogenannten verderblichen Ketzerei nicht