Seite 76 - Der gro

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Der große Kampf
auf den Grund kommen. Der Geist Christi offenbart sich als ein
Missionsgeist. Das erneuerte Herz drängt zu allererst dahin, andere
Menschen zum Heiland zu bringen. Derart war auch der Geist der
Waldenser. Sie fühlten, daß Gott mehr von ihnen verlangte, als nur
die Wahrheit in ihrer Lauterkeit unter den eigenen Gemeinden zu
erhalten; daß auf ihnen die feierliche Verpflichtung ruhte, ihr Licht
denen leuchten zu lassen, die in der Finsternis waren, und durch die
gewaltige Macht des Wortes suchten sie die Knechtschaft, die Rom
auferlegt hatte, zu sprengen. Die Prediger der Waldenser wurden
als Missionare ausgebildet, und jeder, der ins Predigtamt eintreten
wollte, mußte zuerst Erfahrungen als Evangelist sammeln — mußte
drei Jahre lang in dem einen oder anderen Missionsfeld wirken, ehe
er als Leiter einer Gemeinde in der Heimat eingesetzt wurde. Dieser
Dienst, der von vornherein Selbstverleugnung und Opfer forderte,
war eine geeignete Einführung in die Erfahrungen eines Predigers in
jenen Zeiten, welche die Menschenherzen auf die Probe stellten. Die
jungen Menschen, die zum heiligen Amt eingesegnet wurden, hatten
keineswegs irdische Reichtümer und Ehren in Aussicht, sondern
sahen einem Leben voller Mühen und Gefahren und möglicherweise
dem Märtyrertod entgegen. Die Sendboten gingen zu zweien hinaus,
wie Jesus einst seine Jünger ausgesandt hatte. Jeden Jüngling beglei-
tete gewöhnlich ein erfahrener Alter, der dem Jüngeren als Führer
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diente und für dessen Ausbildung er verantwortlich war. Seinen An-
weisungen mußte jener folgen. Diese Mitarbeiter waren nicht immer
beisammen, trafen sich aber oft, um zu beten und zu beraten. Auf
diese Weise stärkten sie sich gegenseitig im Glauben.
Es würde sicherlich zu Niederlagen geführt haben, wenn diese
Leute das Ziel ihrer Missionstätigkeit bekanntgegeben hätten; des-
halb verbargen sie sorgfältig ihre wirkliche Aufgabe. Jeder Prediger
verstand irgendein Handwerk oder Gewerbe, und diese Glaubensbo-
ten führten ihre Aufgabe unter dem Gewand eines weltlichen Beru-
fes, gewöhnlich dem eines Verkäufers oder Hausierers, durch. „Sie
boten Seide, Schmucksachen und andere Gegenstände, die zu jener
Zeit nur aus weit entfernten Handelsplätzen zu beziehen waren, zum
Verkauf an und wurden dort als Handelsleute willkommen geheißen,
wo sie als Missionare zurückgewiesen worden wären.
Sie erhoben
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Wylie, „History of Protestantism“, 1.Buch Kapitel 4