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Die Waldenser
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ihre Herzen zu Gott um Weisheit, damit sie einen Schatz, köstlicher
als Gold und Edelsteine, ausbreiten konnten. Sie trugen Abschriften
der ganzen Heiligen Schrift oder Teile derselben verborgen bei sich,
und wenn sich eine Gelegenheit bot, lenkten sie die Aufmerksamkeit
ihrer Kunden auf diese Handschriften. Oft wurde auf diese Weise
das Verlangen wachgerufen, Gottes Wort zu lesen, und ein Teil der
Schrift denen mit Freuden überlassen, die es annehmen wollten.
Das Werk dieser Sendboten begann in den Ebenen und Täler
am Fuße ihrer eigenen Berge, erstreckte sich jedoch weit über diese
Grenzen hinaus. Barfuß, in groben, von der Reise beschmutzten
Gewändern, gleich denen ihres Herrn, zogen sie durch große Städte
und drangen bis in entlegene Länder vor. Überall streuten sie die
köstliche Saat aus. Gemeinden entstanden auf ihrem Wege, und das
Blut von Märtyrern zeugte für die Wahrheit. Der Tag Gottes wird
eine reiche Ernte an Seelen offenbaren, die durch die Arbeit dieser
Männer eingesammelt wurde. Heimlich und schweigend bahnte sich
Gottes Wort seinen Weg durch die Christenheit und fand in vieler
Menschen Herz und Haus freundliche Aufnahme.
Den Waldensern war die Heilige Schrift nicht nur ein Bericht
über Gottes Handlungsweise mit den Menschen in der Vergangen-
heit und eine Offenbarung der Verantwortungen und Pflichten in
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der Gegenwart, sondern auch eine Enthüllung der Gefahren, aber
auch der Herrlichkeit der Zukunft. Sie glaubten, daß das Ende aller
Dinge nicht mehr fern sei. Indem sie die Heilige Schrift unter Gebet
und Tränen erforschten, machten ihre köstlichen Aussagen einen
umso tieferen Eindruck, und sie erkannten deutlicher ihre Pflicht,
anderen die darin enthaltenen heilsbringenden Wahrheiten mitzu-
teilen. Durch das heilige Buch wurde vor ihnen der Erlösungsplan
klar ausgebreitet, und sie fanden Trost, Hoffnung und Frieden im
Glauben an Jesus. Je mehr das Licht ihr Verständnis erleuchtete und
ihre Herzen fröhlich machte, desto stärker sehnten sie sich danach,
seine Strahlen auch auf die zu lenken, die noch in der Finsternis des
päpstlichen Irrtums schmachteten.
Sie sahen, daß sich unter Führung des Papstes und der Priester
viele Menschen umsonst mühten, durch Peinigung ihrer Leiber Ver-
gebung der Sünden zu empfangen. Belehrt, ihre Seligkeit durch
gute Werke zu verdienen, waren diese Menschen ständig mit sich
selbst beschäftigt; ihre Gedanken verweilten bei ihrem sündigen