Seite 78 - Der gro

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Der große Kampf
Zustand, sie wähnten sich dem Zorn Gottes ausgesetzt, kasteiten
den Leib und fanden doch keine Erleichterung. So wurden gewis-
senhafte Menschen durch die Lehren Roms gebunden. Tausende
verließen Freunde und Verwandte und brachten ihr Leben in Klo-
sterzellen zu. Durch häufiges Fasten und grausame Geißelungen,
durch nächtliche Andachten und stundenlanges Knien auf den kal-
ten, feuchten Steinen ihrer armseligen Behausungen, durch lange
Pilgerfahrten, erniedrigende Bußübungen und furchtbare Qualen ver-
suchten Tausende vergebens den Frieden des Gewissens zu erlangen.
Niedergebeugt von dem Bewußtsein der Sünde und verfolgt von der
Furcht vor dem strafenden Zorn Gottes litten viele Menschen so
lange, bis ihre erschöpfte Natur vollständig unterlag und sie ohne
einen Licht- oder Hoffnungsstrahl ins Grab sanken.
Diesen schmachtenden Seelen das Brot des Lebens zu brechen,
ihnen die Botschaft des Friedens in den Verheißungen Gottes zu
erschließen und sie auf Christus, des Menschen einzige Hoffnung,
hinzuweisen, war das Lebensziel der Waldenser. Die Lehre, daß
gute Werke die Übertretung des Gesetzes Gottes aufzuheben ver-
mögen, betrachteten sie als Irrtum. Sich auf menschliches Verdienst
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zu verlassen, versperrt dem Blick die unendliche Liebe Christi. Je-
sus starb als Opfer für die Menschen, weil die sündige Menschheit
nichts tun kann, um das Wohlgefallen Gottes zu erringen. Die Ver-
dienste eines gekreuzigten und auferstandenen Heilandes bilden die
Grundlage des christlichen Glaubens. Die Seele ist von Christus
genauso abhängig, wie ein Glied von dem Leibe oder eine Rebe von
dem Weinstock; ebenso innig, wie diese verbunden sind, muß die
Verbindung mit ihm durch den Glauben sein.
Die Lehren der Päpste und Priester hatten die Menschen verleitet,
Gottes und selbst Christi Charakter für hart, finster und abstoßend zu
halten. Der Heiland wurde dargestellt, als ob es ihm an Anteilnah-
me mit den Menschen in ihrem gefallenen Zustand so sehr fehlte,
daß die Vermittlung von Priestern und Heiligen notwendig sei. Die
Gläubigen, deren Verständnis durch das Wort Gottes erleuchtet war,
verlangten danach, diese Menschen auf Jesus als ihren barmherzi-
gen, liebenden Heiland hinzuweisen, der mit ausgestreckten Armen
alle einlädt, mit ihren Sündenlasten, ihren Sorgen und Schwierigkei-
ten zu ihm zu kommen. Sie sehnten sich danach, die Hindernisse
wegzuräumen, die Satan aufgetürmt hatte, damit die Menschen we-