Seite 94 - Der gro

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Der große Kampf
Das Erscheinen der Heiligen Schrift versetzte die kirchlichen
Behörden in Bestürzung. Sie hatten es nun mit einem mächtigeren
Gegner zu tun, als es Wiklif war, einem Gegner, gegen den ihre
Waffen nicht viel ausrichten konnten. Zu jener Zeit bestand in Eng-
land kein Gesetz, das die Bibel verbot; denn sie war nie zuvor in
der Sprache dieses Landes veröffentlicht worden. Solche Gesetze
wurden erst später erlassen und streng gehandhabt. Unterdessen gab
es trotz der Bemühungen der Priester mancherlei Möglichkeiten, das
Wort Gottes zu verbreiten.
Aufs neue versuchte die päpstliche Kirche, die Stimme des Re-
formators zum Schweigen zu bringen. Dreimal wurde er zum Verhör
vor ein geistliches Gericht geladen, aber ohne Erfolg wieder ent-
lassen. Dann erklärte eine Synode von Bischöfen seine Schriften
für ketzerisch, und indem sie den jungen König Richard II. für sich
gewann, erlangte sie einen königlichen Erlaß, der alle, die sich zu
den verurteilten Lehren bekannten, dem Gefängnis überwies.
Wiklif wandte sich an das Parlament, beschuldigte die Hierar-
chie furchtlos vor der nationalen Ratsversammlung und verlangte
die Abkehr von den ungeheuren Mißbräuchen, die von der Kirche
gebilligt wurden. Mit überzeugender Kraft schilderte er die Übergrif-
fe und die Verderbnis des päpstlichen Stuhles. Seine Feinde wurden
verwirrt. Die Freunde und Helfer Wiklifs waren zum Nachgeben
gezwungen worden, man hatte zuversichtlich erwartet, daß sich der
betagte Reformator, allein und ohne Freunde, der vereinten Macht
der Krone und der Mitra beugen würde. Statt dessen sahen sich die
Römlinge geschlagen. Das Parlament, durch die erregenden Anspra-
chen Wiklifs angefeuert, widerrief das Edikt zu seiner Verfolgung,
und der Reformator war wiederum frei.
Zum drittenmal wurde er verhört, und zwar vor dem höchsten
kirchlichen Gerichtshof des Reiches. Hier würde der Ketzerei keine
Gunst erwiesen werden; hier würde endlich Rom siegen und das
Werk des Reformators zum Stillstand gebracht werden. So dachten
die Römlinge. Konnten sie ihre Absicht erreichen, dann wäre Wiklif
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gezwungen, seine Lehre abzuschwören, oder den Gerichtshof zu
verlassen, um den Scheiterhaufen zu besteigen.
Wiklif widerrief nicht; er wollte nicht heucheln. Furchtlos vertei-
digte er seine Lehren und widerlegte die Anklagen seiner Verfolger.
Sich selbst, seine Stellung und den Anlaß dieser Versammlung ver-