Seite 586 - Das Leben Jesu (1973)

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Das Leben Jesu
eine verächtliche Abfuhr erteilt. Als dann aber Johannes auftrat,
Buße und Taufe predigte, nahmen, wie es heißt, die Zöllner seine
Botschaft an und wurden getauft.
Der erste Sohn dagegen stellte die führenden Persönlichkeiten
der jüdischen Nation dar. Zwar hatten sich einige Pharisäer bekehrt
und die Taufe des Johannes empfangen, aber die maßgeblichen Leu-
te wollten nicht zugeben, daß dieser von Gott gesandt sei. Seine
Warnungen und Anklagen bewirkten keine Erneuerung bei ihnen.
Sie „verachteten, was Gott ihnen zugedacht hatte, und ließen sich
nicht von ihm taufen“.
Lukas 7,30
. Seine Botschaft verschmähten
sie. Als der erste Sohn zur Arbeit aufgefordert wurde, stimmte er zu:
„Ja, Herr!“ Trotzdem ging er nicht hin. In gleicher Weise bekannten
sich die Priester und Obersten zum Gehorsam, handelten aber wie
Ungehorsame. Sie legten stolze Bekenntnisse ihrer Frömmigkeit ab
und beriefen sich darauf, das Gesetz Gottes zu befolgen, heuchelten
aber nur Gehorsam. Die Zöllner dagegen wurden von den Pharisäern
als Ungetreue hingestellt und verwünscht. Durch ihren Glauben und
ihre Taten bewiesen sie jedoch, daß sie auf dem Wege zum Himmel-
reich einen Vorsprung vor jenen selbstgerechten Männern besaßen,
denen zwar eine große Erkenntnis gegeben war, deren Handeln aber
mit ihrer göttlichen Berufung nicht übereinstimmte.
Die Priester und Obersten wollten diese tiefgreifende Einsicht
nicht auf sich beziehen. So schwiegen sie zunächst in der Hoffnung,
daß Jesus noch etwas sagen würde, was sie gegen ihn selbst wenden
könnten. Doch wurde ihnen noch mehr zugemutet.
„Höret ein anderes Gleichnis“, fuhr Jesus fort. „Es war ein Haus-
vater, der pflanzte einen Weinberg und führte einen Zaun darum und
grub eine Kelter darin und baute einen Turm und gab ihn an Wein-
gärtner in Pacht und zog außer Landes. Da nun herbeikam die Zeit
der Früchte, sandte er seine Knechte zu den Weingärtnern, daß sie
seine Früchte empfingen. Da nahmen die Weingärtner seine Knech-
te; einen schlugen sie, den andern töteten sie, den dritten steinigten
sie. Abermals sandte er andere Knechte, mehr als das erste Mal; und
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sie taten ihnen gleich also. Zuletzt sandte er seinen Sohn zu ihnen
und sprach: Sie werden sich vor meinem Sohn scheuen. Da aber die
Weingärtner den Sohn sahen, sprachen sie untereinander: Das ist der
Erbe; kommt, laß uns ihn töten und sein Erbgut an uns bringen! Und
sie nahmen ihn und stießen ihn zum Weinberge hinaus und töteten