Seite 588 - Das Leben Jesu (1973)

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Das Leben Jesu
ke gegeben werden, das seine Früchte bringt. Und wer auf diesen
Stein fällt, der wird zerschellen; auf wen aber er fällt, den wird er
zermalmen.“
Matthäus 21,42-44
.
Diese Prophezeiung hatten die Juden in ihren Synagogen oft
wiederholt und auf den kommenden Messias bezogen. Christus war
der „Eckstein“ der jüdischen Heilsordnung und des ganzen Erlö-
sungsplanes. Jetzt verwarfen die jüdischen Baumeister, die Priester
und Obersten Israels, dieses Fundament. Der Heiland lenkte ihre
Aufmerksamkeit auf die Weissagungen, die ihnen ihre Gefährdung
zeigten. Mit allen Mitteln suchte er ihnen klarzumachen, welch
verhängnisvolle Tat sie im Begriff standen zu begehen.
Seine Worte dienten auch noch einem anderen Zweck. Mit der
Frage: „Wenn nun der Herr des Weinberges kommen wird, was wird
er diesen Weingärtnern tun?“ (
Matthäus 21,33-40
) wollte Christus
die Pharisäer gerade zu der Antwort herausfordern, die sie dann
auch prompt gaben. Sie sollten sich selbst ihr Urteil sprechen. Wenn
seine Warnungen sie nicht mehr zur Umkehr bewegen konnten,
würden diese ihr Schicksal besiegeln. Christus wollte sie zu der
Einsicht führen, daß sie ihren Untergang selbst herbeigeführt hatten.
Er wollte ihnen klarmachen, daß Gott gerecht handelte, wenn er
ihnen nun ihre völkischen Vorzüge entzöge, was schließlich nicht
allein zur Zerstörung des Tempels und „ihrer“ Stadt, sondern auch
zur Zerstreuung des Volkes führen würde.
Die Zuhörer verstanden die Warnung. Trotz des Urteils, das sie
über sich selbst gefällt hatten, waren die Priester und Obersten ent-
schlossen, die Voraussage zu erfüllen, die mit den Worten gegeben
war: „Das ist der Erbe; kommt, laßt uns ihn töten!“
Matthäus 21,38
.
Weiter heißt es: „Sie trachteten danach, wie sie ihn griffen; aber
sie fürchteten sich vor dem Volk“, denn dessen Gunst galt Jesus.
Matthäus 21,46
.
Christus zitierte die Prophezeiung vom verstoßenen Eckstein
und bezog sich dabei auf ein Ereignis, das sich in Israels Geschichte
tatsächlich zugetragen hatte, und zwar beim Bau des ersten Tempels.
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Es hatte Bedeutung für das erste Kommen Christi und hätte auf die
Juden besonders nachhaltig einwirken sollen. Doch auch wir können
daraus lernen. Beim Bau des Salomonischen Tempels wurden die
riesigen Steine für das Fundament und das Mauerwerk bereits im
Steinbruch fertig zugehauen. Danach brachte man sie zum Bauplatz,