Seite 122 - Patriarchen und Propheten (1999)

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Patriarchen und Propheten
Zur Mittagszeit eines heißen Sommertages saß der Erzvater im
Eingang seines Zeltes und schaute über die friedliche Landschaft, als
er in der Ferne drei Wanderer näherkommen sah. Ehe sie sein Zelt
erreichten, machten sie halt, als ob sie miteinander berieten. Ohne
darauf zu warten, daß sie ihn um seine Hilfe baten, stand Abraham
schnell auf; und da sie sich scheinbar in eine andere Richtung wand-
ten, eilte er ihnen nach und nötigte sie mit größter Höflichkeit, ihm
die Ehre zu erweisen und zur Erfrischung bei ihm zu verweilen. Er
selber brachte ihnen Wasser, um ihnen die Füße vom Staub der Reise
zu reinigen. Er wählte persönlich die Speisen für sie aus. Während
sie sich im kühlen Schatten ausruhten, ließ er ein Mahl bereiten
und stand ehrerbietig daneben, während sie seine Gastfreundschaft
genossen. Dieses höfliche Verhalten hielt Gott für wichtig genug, um
es in seinem Wort berichten zu lassen. Über tausend Jahre später be-
zog sich der Apostel darauf: „Gastfrei zu sein, vergesset nicht; denn
dadurch haben etliche ohne ihr Wissen Engel beherbergt.“
Hebräer
13,2
.
Abraham hatte in seinen Gästen nur drei müde Wanderer gese-
hen und dachte nicht daran, daß er einen von ihnen hätte anbeten
dürfen, ohne sich zu versündigen. Bald aber wurde das wahre Wesen
der Himmelsboten offenbar. Sie waren zwar als Künder des Zorns
unterwegs, sprachen aber zu dem Glaubensmann Abraham zuerst
von Segnungen. Obwohl Gott auf die Ungerechtigkeit achtet und die
Übertretung streng bestraft, hat er doch keinen Gefallen an der Ra-
che. Zerstörung ist für ihn in seiner unendlichen Liebe ein „fremdes
Werk“.
„Der Herr ist denen Freund, die ihn fürchten.“
Psalm 25,14
.
Abraham hatte Gott die Ehre gegeben, und nun würdigte der Herr ihn,
in seine Pläne eingeweiht zu werden und seine Absichten zu erfahren.
„Wie könnte ich Abraham verbergen, was ich tun will?“ sagte der
Herr. „Es ist ein großes Geschrei über Sodom und Gomorra, daß ihre
Sünden sehr schwer sind. Darum will ich hinabfahren und sehen, ob
sie alles getan haben nach dem Geschrei, das vor mich gekommen ist,
oder ob‘s nicht so sei, damit ich‘s wisse.“
1.Mose 18,17.20.21
. Gott
kannte das Maß der Sünden Sodoms sehr wohl. Aber er bediente
sich menschlicher Ausdrucksweise, damit man die Gerechtigkeit
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seiner Handlungsweise verstünde. Ehe er die Übertreter richtete,
wollte er ihren Wandel prüfen. Wenn sie die Grenzen der göttlichen