Seite 123 - Patriarchen und Propheten (1999)

Basic HTML-Version

Abraham in Kanaan
119
Gnade nicht überschritten hatten, würde er ihnen noch Raum zur
Buße zubilligen.
Zwei der himmlischen Boten brachen auf und ließen Abraham
mit dem allein, von dem er nun wußte, daß er Gottes Sohn war. Und
der Glaubensmann bat für die Einwohner Sodoms. Einst hatte er
sie durch sein Schwert gerettet. Jetzt versuchte er es mit seinem
Flehen. Lot und seine Angehörigen wohnten ja noch dort. In der
gleichen selbstlosen Liebe, die Abraham getrieben hatte, sie von den
Elamitern zu befreien, versuchte er nun, wenn es Gottes Wille war,
sie vor dem göttlichen Gericht zu bewahren.
Mit tiefer Ehrfurcht und Demut brachte er seine dringende Bitte
vor: „Ich habe mich unterwunden, zu reden mit dem Herrn, wiewohl
ich Erde und Asche bin.“
1.Mose 18,27
. Das klang nicht anmaßend
und war kein Prahlen mit seiner Gerechtigkeit. Er beanspruchte
keine Hilfe um seines Gehorsams oder um der Opfer willen, die er
in der Erfüllung des göttlichen Willens dargebracht hatte. Obwohl
selbst ein Sünder, bat er für die Sünder. In solcher Gesinnung sollte
sich jeder Gott nahen. Aus Abraham sprach das Vertrauen eines
Kindes, das jemand vor dem geliebten Vater verteidigt. Er trat vor
den himmlischen Boten und trug seine Bitte eindringlich vor.
Obwohl Lot ein Einwohner Sodoms geworden war, beteiligte
er sich doch nicht an ihren Freveltaten. Deshalb war Abraham der
festen Überzeugung, daß es in jener volkreichen Stadt auch noch
andere Anbeter des wahren Gottes geben müsse. Im Hinblick darauf
bat er: „Das sei ferne von dir, daß du das tust und tötest den Gerech-
ten mit dem Gottlosen ... Das sei ferne von dir! Sollte der Richter
aller Welt nicht gerecht richten?“
1.Mose 18,25
. Und Abraham bat
nicht nur einmal. Als seine Bitten gewährt wurden, wagte er zuneh-
mend mehr, bis er das Versprechen erhielt, daß die Stadt verschont
würde, selbst wenn nur zehn Gerechte in ihr gefunden würden.
Erbarmungsvolle Liebe zu untergehenden Menschen ermutigte
Abraham zu seiner Bitte. Er verabscheute die Sünden jener verderb-
ten Stadt, wünschte aber, daß die Sünder gerettet würden. Seine
tiefe Anteilnahme an Sodom zeigt seine Sorge, die auch wir für
Unbußfertige haben sollten. Wir sollten die Sünde hassen, aber den
[119]
Sünder bemitleiden und lieben. In unserer Umgebung gehen Men-
schen ebenso schrecklich und hoffnungslos zugrunde wie einst in
Sodom. Täglich geht die Gnadenzeit für viele zu Ende, und stünd-