Seite 132 - Patriarchen und Propheten (1999)

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Patriarchen und Propheten
Als wohlhabender und angesehener Mann wohnte der Patriarch
damals in Beerseba. Er war sehr reich, und die Herren des Landes
achteten ihn als einen mächtigen Fürsten. Tausende von Schafen
und Rindern weideten in den Ebenen, die sich rund um sein Lager
erstreckten. Überall standen Zelte seiner Verwalter, die Heime von
Hunderten treuer Diener. An seiner Seite war der Sohn der Verhei-
ßung herangewachsen. Der Himmel schien sein aufopferndes Leben,
das die immer wieder verzögerte Hoffnung in Geduld ertrug, mit
Segen gekrönt zu haben.
Im Glaubensgehorsam hatte Abraham seine Heimat, seine Ver-
wandten und die Gräber der Väter verlassen. Als Fremdling war er
im Lande seines Erbteils umhergewandert. Wie lange hatte er auf
den verheißenen Erben warten müssen! Auf Gottes Befehl hatte er
seinen Sohn Ismael fortgeschickt. Und jetzt, als das so lange er-
sehnte Kind ins Mannesalter kam und der Patriarch die Erfüllung
seiner Hoffnung zu sehen glaubte, stand ihm eine Prüfung bevor, die
schwerer war als alle früheren.
Der Auftrag mußte das Herz des Vaters mit Seelenqual erfüllen:
„Nimm Isaak, deinen einzigen Sohn, den du liebhast, und geh hin in
das Land Morija und opfere ihn dort zum Brandopfer.“
1.Mose 22,2
.
Isaak war der Sonnenschein des Hauses, der Trost seines Alters und
vor allem der Erbe des verheißenen Segens. Hätte er diesen Sohn
durch Unfall oder Krankheit verloren, würde es ihn bis ins Mark
getroffen haben. Der Kummer hätte sein graues Haupt niedergebeugt.
Nun aber gebot ihm Gott, das Blut seines Sohnes mit eigener Hand
zu vergießen. Das erschien ihm furchtbar, ja unmöglich.
Satan war bereit, ihm einzuflüstern, daß er sich getäuscht haben
müsse, denn das Gesetz Gottes lautete: „Du sollst nicht töten.“
2.Mo-
se 20,13
. Gott könne doch nicht fordern, was er einst verboten hatte.
Abraham trat aus seinem Zelt und schaute auf zu der stillen Pracht
des wolkenlosen Himmels. Er rief sich die Zusage in die Erinnerung
zurück, die er vor beinahe fünfzig Jahren erhalten hatte, daß seine
Nachkommen zahllos sein würden wie die Sterne. Wie könnte Isaak
getötet werden, wenn diese Verheißung doch durch ihn in Erfüllung
gehen sollte?
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Abraham war versucht zu glauben, daß er einer Täuschung erle-
gen sei. Von Zweifel und Angst überwältigt, beugte er sich zur Erde
nieder und betete wie nie zuvor im Leben um irgendeine Bestätigung