Seite 133 - Patriarchen und Propheten (1999)

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Die Glaubensprüfung
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des Befehls, sofern er diese schreckliche Pflicht erfüllen müßte. Er
erinnerte sich der gottgesandten Engel, die ihm Sodoms Zerstörung
ankündigten. Sie brachten ihm auch die Verheißung dieses Sohnes
Isaak. Es zog ihn dorthin, wo er sie einige Male getroffen hatte, in
der Hoffnung, ihnen wieder zu begegnen und andere Weisungen zu
erhalten. Aber niemand kam ihm zu Hilfe. Finster war es um ihn, nur
Gottes Gebot klang in seinen Ohren: „Nimm Isaak, deinen einzigen
Sohn, den du liebhast.“
1.Mose 22,2
. Dem mußte er gehorchen, und
er wagte nicht zu zögern. Der Tag zog herauf, er mußte sich auf den
Weg machen.
Als er ins Zelt zurückkehrte, trat er an Isaaks Lager, der den
tiefen, ungestörten Schlaf der Jugend und Unschuld schlief. Einen
Augenblick schaute der Vater auf das liebe Gesicht des Sohnes, dann
wandte er sich bebend ab. Er ging zu Sara, die ebenfalls schlief.
Sollte er sie wekken, daß sie ihr Kind noch einmal umarmen könn-
te? Sollte er zu ihr von Gottes Forderung sprechen? Er sehnte sich
danach, ihr sein Herz auszuschütten und die schreckliche Verantwor-
tung mit ihr zu teilen. Aber die Furcht, sie könnte ihn zurückzuhalten
suchen, hinderte ihn daran. Isaak war Saras Freude und ihr Stolz. Er
erfüllte ihr ganzes Denken, und die Liebe der Mutter hätte das Opfer
verhindern können.
Schließlich weckte Abraham seinen Sohn und erzählte ihm von
dem Befehl, auf einem entfernten Berge ein Opfer darzubringen.
Isaak hatte den Vater oft zu den Altären begleitet, die er auf seinen
Wanderungen errichtet hatte, um anzubeten. Deshalb überraschte
ihn diese Aufforderung nicht. Schnell trafen sie die Vorbereitungen
zur Reise. Sie legten das Holz zurecht, luden es auf den Esel und
machten sich mit zwei Knechten auf den Weg.
Schweigend wanderten Vater und Sohn Seite an Seite. Dem Erz-
vater, der über seinem schweren Geheimnis grübelte, war nicht nach
Plaudern zumute. Seine Gedanken verweilten bei der glücklichen
Mutter und dem Augenblick, wenn er allein zurückkehrte. Er wußte
wohl, daß das Messer, womit er seinem Sohne das Leben nähme,
auch ihr Herz durchbohren würde.
Der Tag, der längste, den Abraham je erlebte, schlich langsam
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seinem Ende zu. Während sein Sohn und die jungen Leute schliefen,
verbrachte er die Nacht im Gebet. Noch immer hoffte er, daß irgend-
ein Himmelsbote kommen und ihm zurufen würde, daß es genug sei