Seite 134 - Patriarchen und Propheten (1999)

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Patriarchen und Propheten
mit der Prüfung und Isaak unversehrt zu seiner Mutter zurückkehren
dürfe. Aber seiner gemarterten Seele wurde keine Hilfe zuteil. Der
nächste lange Tag verging, ebenso eine weitere Nacht in demüti-
gem Gebet, und immer klang der Befehl in seinen Ohren, der ihm
das Kind rauben würde. Satan näherte sich ihm und versuchte, ihm
Zweifel und Unglauben einzuflüstern, aber Abraham widerstand der
Versuchung. Als er am dritten Tage beim Aufbruch nach Norden
schaute, sah er das verheißene Zeichen, eine Wolke der Herrlichkeit,
über dem Berge Morija schweben. Nun wußte er, daß die Stimme,
die zu ihm gesprochen hatte, vom Himmel war.
Auch jetzt murrte er nicht gegen Gott, sondern holte sich Kraft
aus der Erinnerung an die Beweise dessen Güte und Treue, die er
erfahren hatte. Dieses Kind war ihm geschenkt worden, als es (nach
menschlichem Ermessen) nicht mehr zu erwarten war. Hatte er, der
ihm diese kostbare Gabe verliehen hatte, nicht das Recht, sein Eigen-
tum zurückzufordern? Dann wiederholte er gläubig die Verheißung,
„nach Isaak soll dein Geschlecht benannt werden“ (
1.Mose 21,12
),
das zahllos sein würde wie der Sand am Meer. Isaaks Geburt war
ein Wunder. Konnte nicht die Macht, die ihm das Leben gab, es ihm
ein zweites Mal schenken? Als er über das Sichtbare hinausschaute,
begriff er das Wort: „Gott kann auch wohl von den Toten erwecken.“
Hebräer 11,19
.
Doch konnte außer Gott niemand verstehen, wie groß des Vaters
Opfer war, wenn er seinen Sohn in den Tod gab. Abraham wollte
außer Gott keinen Zeugen des Abschieds haben. Deshalb befahl
er seinen Knechten, zurückzubleiben: „Ich und der Knabe wollen
dorthin gehen, und wenn wir angebetet haben, wollen wir wieder
zu euch kommen.“
1.Mose 22,5
. Er legte Isaak, der das Opfer wer-
den sollte, das Holz auf. Der Vater nahm Messer und Feuer, und
miteinander stiegen sie zum Berggipfel hinauf. Im stillen wunderte
sich der junge Mann, woher so weit von den Herden entfernt das
Opfertier kommen sollte. „Mein Vater!“ sagte er endlich, „siehe,
hier ist Feuer und Holz; wo ist aber das Schaf zum Brandopfer?“
Welche Prüfung war das! Wie schnitten die rührenden Worte „mein
Vater“ Abraham ins Herz! Noch nicht, noch immer nicht konnte er‘s
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ihm sagen. „Mein Sohn“, erwiderte er, „Gott wird sich ersehen ein
Schaf zum Brandopfer.“
1.Mose 22,7.8
.