Seite 142 - Patriarchen und Propheten (1999)

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Patriarchen und Propheten
Antwort verfolgten sie eine zweifache Absicht. Sie wollten Lots
Aufrichtigkeit prüfen und zum andern unwissend erscheinen über
den Charakter der Sodomiter, als ob sie meinten, ohne Gefahr nachts
auf der Straße bleiben zu können. Bei ihrer Antwort stand es für
Lot fest, sie nicht der Gewalt des Pöbels preiszugeben. Er bat sie
so dringend, bis sie seine Einladung annahmen und ihm zu seinem
Hause folgten.
Er hatte gehofft, sein Vorhaben vor den müßig am Tor Herumste-
henden dadurch zu verheimlichen, daß er die Fremdlinge auf einem
Umweg in sein Heim brachte. Aber deren Zögern und sein beharrli-
ches Drängen waren beobachtet worden, und noch ehe sie sich zur
Nacht zurückgezogen hatten, versammelte sich eine zügellose Rotte
vor dem Haus. Es waren eine ganze Menge, jung und alt, alle von
den niedrigsten Leidenschaften entflammt. Die Fremden hatten sich
nach dem Charakter der Bevölkerung erkundigt, darum warnte sie
Lot davor, sich in der Nacht aus dem Hause zu wagen.
Da hörte man auch schon das höhnende Geschrei des Mobs, der
die Herausgabe der Männer verlangte. Lot wußte, daß jene Leute mit
Leichtigkeit ins Haus eindringen könnten, wenn man sie zur Gewalt
herausforderte. Deshalb ging er hinaus, um es mit Überredungskunst
zu versuchen. „Ach, liebe Brüder“, sagte er, „tut nicht so übel!“
1.Mose 19,7
. Er gebrauchte den Ausdruck „Brüder“ im Sinne von
Nachbarn, weil er hoffte, sie dann versöhnlich zu stimmen und sie
wegen ihrer gemeinen Absichten zu beschämen. Aber seine Worte
wirkten wie Öl auf Feuer. Ihre Wut steigerte sich nur noch mehr.
Sie höhnten, Lot wolle sich zum Richter über sie aufschwingen,
und drohten, mit ihm noch schlimmer zu verfahren, als sie es mit
seinen Gästen beabsichtigten. Und sie hätten sich auf ihn gestürzt
und ihn zerrissen, wenn die Engel Gottes ihm nicht zu Hilfe gekom-
men wären. Die himmlischen Boten griffen heraus und „zogen Lot
herein zu sich ins Haus und schlossen die Tür zu“. Was nun folgte,
offenbarte das Wesen der Gäste, die er beherbergte: „Sie schlugen
die Leute vor der Tür des Hauses, klein und groß, mit Blindheit, so
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daß sie es aufgaben, die Tür zu finden.“
1.Mose 19,10.11
. Wären sie
in ihres Herzens Härtigkeit nicht mit doppelter Blindheit geschla-
gen gewesen, dann hätte sie das Eingreifen Gottes erschreckt und
von ihrem schändlichen Vorhaben zurückgehalten. In dieser letzten
Nacht geschahen keine größeren Sünden als in vielen anderen zu-