Seite 18 - Patriarchen und Propheten (1999)

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Patriarchen und Propheten
froher Stimmen Loblieder in wohlklingenden Weisen emporstiegen,
schien der Geist des Bösen überwunden zu sein. Unaussprechliche
Liebe ergriff sein Herz. Er war in der Liebe zum Vater und zum Soh-
ne in voller Übereinstimmung mit den sündlosen Anbetern. Aber
wieder überkam ihn der Stolz. Das Verlangen nach Oberherrschaft
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kehrte zurück, und abermals gab er dem Neid auf Christus Raum.
Die hohen Würden, die er bereits innehatte, sah er nicht als beson-
dere Gottesgabe an, deshalb erweckten sie auch keine Dankbarkeit
dem Schöpfer gegenüber. Glanz und Würden ließen ihn danach stre-
ben, Gott gleich zu sein. Die himmlischen Heerscharen liebten und
verehrten ihn. Sie freuten sich, seine Befehle auszuführen. Doch
der Sohn Gottes stand über ihm und war dem Vater an Macht und
Ansehen gleich. Er hatte Anteil an dessen Ratschlüssen, während
Luzifer in solchem Maße niemals in Gottes Absichten einbezogen
wurde. „Warum“, fragte dieser mächtige Engel, „soll Christus die
Vorherrschaft haben? Warum wird er höher geehrt als ich?“
Luzifer mied fortan den Platz in der unmittelbaren Nähe des
Vaters und versuchte den Geist der Unzufriedenheit unter den En-
geln zu verbreiten. Er arbeitete mit rätselvoller Heimlichkeit und
verbarg sogar eine Zeitlang seine wahre Absicht unter scheinbarer
Verehrung Gottes. Aber er deutete Zweifel über die Gesetze an, die
die Engel als himmlische Wesen regierten. Er gab zu verstehen, daß
solche wohl notwendig seien für die Bewohner der Welten, aber
nicht für Engel, deren Weisheit ihnen hinlänglich Ratgeber sei. Wie
könnten sie, deren Gedankenwelt geheiligt wäre, Gott Unehre berei-
ten! Sie könnten sich so wenig irren wie Gott selbst. Die Erhöhung
des Sohnes Gottes auf die Ebene des Vaters stellte Luzifer als ei-
ne Ungerechtigkeit gegen ihn hin. Auch er habe, so behauptete er,
Anspruch auf Verehrung. Wenn er als Engelfürst nur seine rechtmä-
ßige hohe Stellung erlangen könnte, würde daraus für das gesamte
Himmelsheer viel Gutes erwachsen. Denn es wäre sein Ziel, für alle
die Unabhängigkeit zu wahren. Aber jetzt sei es mit der Freiheit
vorbei, die sie bisher genossen hätten, denn ihnen sei ein absoluter
Herrscher bestimmt worden, dem sie alle huldigen müßten. So sahen
die spitzfindigen Trugbilder aus, die sich durch Luzifers Tücke in
den himmlischen Vorhöfen festsetzten.
In der Stellung oder dem Ansehen Christi hatte sich nichts geän-
dert. Nur Luzifers Neid, seine falsche Darstellung und die Forderung,